Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
eigenen Gedanken. Vor zwanzig Jahren wäre er wahrscheinlich als unterbezahlter Agent des KGB geendet. Damals …
Er steckte den Zettel wieder in die Brusttasche seines Hemdes und trank den Rest seines Kaffees aus. Als Erstes würde er sein neues Quartier beziehen, würde sich in die Höhle des Löwen wagen. Er erhob sich und ging entschlossen zum Ausgang.
*
Emil Büttner war offizieller Techniker des Flughafens in Hof. Es war nicht die aufregendste Arbeit auf dem nicht gerade aufregendsten Flughafen der Welt, aber zumindest war es Arbeit und eine gut bezahlte obendrein. Das allein privilegierte ihn, denn damit gehörte er in Hof zu einer Minderheit. Einen guten Job in der Region zu finden, in der die höchste Arbeitslosigkeit Bayerns herrschte, war schon ein außergewöhnlicher Glücksfall.
Und das war auch der Grund, warum sich Emil Büttner nicht beschwerte. Spötter behaupteten zwar, dass Hof ungefähr so groß sei wie der Nürnberger Hauptfriedhof, aber doppelt so tot, doch das war ihm egal. Im Großen und Ganzen war er mit seiner Stadt zufrieden. Es machte ihm auch nichts aus, dass es die kälteste in ganz Deutschland war. Wenn andernorts in Bayern schon die Tulpen sprossen, wurde hier noch auf Skiern die Post ausgetragen. Bei seinem abendlichen Umtrunk scherzte er gern, dass Hof sich sicherlich irgendwann für die Olympischen Winterspiele bewerben würde. Dann gäbe es auch neue Sportarten wie beispielsweise Biathlon mit Schießen auf den laufenden Beamten. Der wäre bestimmt leicht zu treffen, vor allem wenn er aus der hiesigen Beamtenfachschule stammte.
Nein, Emil Büttner hatte am Hofer Leben nichts zu meckern. Hier hatte er nicht nur im Umland seine Frau gefunden und zwei Mädchen in die Welt gesetzt, hier konnte er auch einen guten Job auf dem »Hof International Airport«, wie er seinen Arbeitsplatz bisweilen titulierte, sein Eigen nennen.
Gerade war er mit seiner Brotzeitpause fertig geworden und befand sich nun auf dem Weg, eine der Signallampen an der Start- und Landebahn auszutauschen, als sein Handy klingelte. »Emil Büttner, Flughafentechnik Hof«, meldete er sich und erwartete die Anordnung von Überstunden, weil sich wieder irgend so ein Geschäftsflugzeug verspätet hatte.
»Emil Büttner?«, hörte er eine Stimme, die ihm seltsam bekannt vorkam. Ihn beschlich ein unbestimmtes, unangenehmes Gefühl.
»Ja, am Apparat, um was geht’s denn?«, fragte er, während sich das beklemmende Gefühl weiter verstärkte. Die Stimme klang hohl und gehetzt.
»Hier ist Alfred.«
Sofort wusste Emil Büttner, wer der Anrufer war. Sein ganzer Körper fing an zu zittern, und die Lampe, die er gerade hatte austauschen wollen, fiel klirrend zu Boden. Er hatte panische Angst. Er war schon immer ein ängstlicher Mensch gewesen, aber diese Angst, die sich jetzt seiner bemächtigte, hatte er bisher nur ein einziges Mal verspürt. Es hatte lange gebraucht, um sie ansatzweise zu vergessen, und er hatte inständig gebetet, das schreckliche Gefühl nie mehr verspüren zu müssen.
»Emil, bist du noch dran, verdammt?«, hörte er die ungeduldige Stimme wieder.
»Ja, bin ich. Was willst du?«, fragte er leise, obwohl er die Antwort bereits kannte. Jedem, der diesen Anruf von Alfred erhielt, war die Antwort bereits klar.
»Graetzke und Rast sind tot. Ermordet worden, so wie es aussieht. Wir müssen also davon ausgehen, dass die CADAS nicht mehr sicher ist. Hast du mich verstanden, Emil? Die Mitglieder der CADAS sind nicht mehr sicher! Weißt du, wo die anderen sind? Wir müssen sie informieren. … Emil?«
Doch Emil Büttner hörte schon lange nicht mehr zu. Er lag auf der Rollbahn des Hofer Flugplatzes auf den Knien, barg sein Gesicht in den Händen und schluchzte wie ein Kind.
*
Haderlein und sein Kollege waren auf dem Weg nach Kloster Banz. Lagerfeld wollte sich gerade eine seiner geliebten Zigaretten anzünden, als ihn der strafende Blick seines Vorgesetzten traf.
»Nicht in meinem Auto, Bernd«, warnte Haderlein streng. »Außerdem möchte ich nicht nach Zigarettenrauch stinken, während ich, du weißt schon …«
Lagerfeld hob abwehrend die Hand und bedeutete seinem Kollegen zu schweigen. Dann drehte er das Radio lauter.
»… möchte ich betonen, dass dies nicht zwingend zu Gesundheitsschädigungen bei Nichtrauchern führen wird. Ich möchte nur der wachsenden Zahl von unzufriedenen Gastwirten die Gelegenheit geben, der diskriminierten Minderheit von Rauchern einen abgetrennten Raum in ihren
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