Du sollst meine Prinzessin sein
PROLOG
Die dunkelhaarige Gestalt, die an dem großen antiken Schreibtisch im warmen Schein der Lampe saß, schlug die in Leder gebundene Akte zu, legte sie auf den wachsenden Stapel zu seiner Rechten und griff nach einer weiteren Akte. Dio , nahmen diese verdammten Dokumente denn gar kein Ende? Wie konnte ein so kleines Land wie San Lucenzo nur so viele davon hervorbringen? Alles, von den schlichtesten Aufträgen bis zu den Beschlüssen des Hohen Rates, musste unterschrieben und besiegelt werden – von ihm.
Prinz Enrico verzog den Mund. Er sollte dankbar sein, dass er diese Aufgabe so selten übernehmen musste. Aber sein älterer Bruder, der Kronprinz, befand sich als Repräsentant des Hauses Ceraldi auf einer Hochzeit in Skandinavien. Und die momentanen gesundheitlichen Probleme ihres Vaters hatten ihn nun zu diesen Pflichten gezwungen, von denen er normalerweise ausgeschlossen war.
Ein zynischer Ausdruck erschien auf seinen Lippen. Auch wenn sein Vater den wohlverdienten Ruf seines jüngeren Sohns als Playboy-Prinz verachtete, so profitierte das Land doch davon. Schließlich war er in der Welt der exklusiven Sportarten, wie Powerbootrennen, ebenso zu Hause wie in der des schillernden internationalen Jetsets – natürlich auch in den Schlafzimmern wunderschöner Frauen. Und damit bescherte er San Lucenzo eine unbezahlbare Publicity. Ein Großteil der Einkünfte des Fürstentums resultierte wiederum aus der Tatsache, einer der glamourösesten Orte der Welt zusein. Und sein Anteil an diesem Glamour war nicht unbedeutend. Sein Vater oder sein älterer Bruder sahen das allerdings keineswegs genauso. Für sie lenkte sein Lebensstil die Aufmerksamkeit der Paparazzi auf die königliche Familie und vergrößerte damit nur das Risiko eines Skandals.
Natürlich, musste Rico sich verärgert eingestehen, waren ihre Sorgen manchmal gerechtfertigt. Carina Collingham war in dieser Hinsicht ein unrühmliches Beispiel gewesen –doch wie hätte er wissen können, dass sie bezüglich ihrer Scheidung gelogen hatte?
Und obwohl er sofort jeden Kontakt zu der Schauspielerin eingestellt hatte, als er ihren Betrug entdeckte, war der Schaden bereits geschehen.
Sein älterer Bruder Luca hatte ihm eine Standpauke gehalten, weil er Carina keiner Sicherheitsprüfung unterzogen hatte, bevor er mit ihr geschlafen hatte. Ein wenig Zurückhaltung könne nicht schaden, statt Frauen wahllos zu vernaschen, hatte er geschimpft.
„Meine Wahllosigkeit birgt auch Sicherheit“, antwortete Rico zynisch. „Da ich mich nicht festlege, glaubt auch keine Frau, sie hätte mich eingefangen.“ Er warf seinem Bruder einen sarkastischen Blick zu. „Pass du lieber auf dich auf, Luca“, fuhr er fort. „Christabel Pasoni schmiedet bereits Pläne für dich.“
„Christabel ist zufrieden mit unserer Beziehung, so wie sie ist“, erwiderte Luca zurückhaltender. „Und sie verursacht keinen Skandal in den Zeitungen.“
„Nur weil ihr liebenswürdiger Papa so viele davon besitzt! Dio , Luca, kannst du sie nicht bitten, ihrem Vater zu sagen, er soll seine Schreiberlinge anweisen, mich in Ruhe zu lassen?“
„Sie würden nicht über dich schreiben, wenn du ihnen keinen Anlass liefertest. Meinst du nicht, es wäre an der Zeit, erwachsen zu werden und dich deiner Verantwortung zu stellen?“
Ricos Miene verhärtete sich.
„Wenn ich eine hätte, würde ich das vielleicht sogar tun“,hatte er zurückgeschossen und war gegangen.
Gut, er hatte Verantwortung haben wollen, jetzt hatte er sie – Schriftstücke unterschreiben, weil niemand sonst zur Verfügung stand. Das war seine Buße für eine Affäre mit einer wunderschönen, aber auch verheirateten Frau.
Wenn ich jedes verdammte Dokument in meiner schönsten Handschrift unterzeichne, bevor Luca zurückkehrt, habe ich mir vielleicht die königliche Vergebung verdient … In seinen Gedanken lag keine Spur von Humor.
Ungeduldig ließ er seinen Blick über das Papier vor ihm schweifen. Irgendeine Bittschrift eines Klosters, von der Besteuerung des Landes befreit zu werden, auf dem im siebzehnten Jahrhundert ein Krankenhaus errichtet worden war. Dieses Ersuchen, erklärte ihm die beigefügte Notiz, war lediglich eine Bitte pro forma, die seit 1647 jedes Jahr eingereicht und bewilligt wurde. Pflichtbewusst setzte Rico seine fürstliche Unterschrift auf das Papier, tropfte den erforderlichen roten Siegelwachspunkt unter seinen Namen und drückte das königliche Siegel hinein. Gerade, als er das Siegel
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