Das Alabastergrab
gesenktem Kopf passiert
hatte. Als er sich vorsichtig umschaute, sah er, wie der Mann in den Tiefen der
Bühne verschwand. Noch vor Erreichen des Ausgangs ließ Newman die
Mikrofonständer fallen und rannte nach draußen. Er lief den gleichen Weg
zurück, den er gekommen war, bis er am Haupteingang auf ein ziviles
Polizeifahrzeug traf, das gerade mit Blaulicht und Sirene am Eingang hielt. Ihm
kamen fast die Tränen. Es gab also doch noch einen Gott. Mit wild fuchtelnden
Armen lief er auf das bremsende Auto zu und kam gerade rechtzeitig, als auf der
Beifahrerseite ein großer, hagerer Beamter ausstieg. Vollkommen verängstigt
packte er ihn an seiner Lederjacke.
»Sie müssen mir helfen«, rief er völlig außer Atem. »Ein Mann will
mich umbringen, Sie …«
»Sie sind Max Newman, genannt Mozart?«, fragte der Mann und packte
ihn an den Schultern, damit er nicht so zitterte.
»Ja, der bin ich«, schluchzte Max.
Lächelnd betrachtete Haderlein das Häufchen Elend, das da vor ihm
stand. »Sie sind in Sicherheit, Doktor. Sehen Sie zu, dass Sie sich im Zoo aus
der Schusslinie bringen. Kommissar Schmitt wird bei Ihnen bleiben, und wir
kümmern uns um Ihren Verfolger.«
Lagerfeld nickte beruhigend, zog seine Waffe und bugsierte Newman
sogleich Richtung Kassenwärterhäuschen. Die Besucher, die den Eingang
blockierten, betrachteten erschreckt die Szenerie und wichen beim Anblick der
Pistole sofort zurück. Haderlein stieg mit Driesel wieder in den Polizeiwagen.
Sie schafften es gerade noch, über Funk Verstärkung anzufordern, als der
Multipla auch schon genau neben dem grauen BMW zum Stehen kam. Die beiden erfahrenen Kommissare stiegen aus und entsicherten
ihre Waffen. Driesel nahm den noch steckenden Zündschlüssel des BMW s an sich. Als aus dem Hotelsaal
irgendwelche Musiker ihr Equipment nach draußen schleppten, klappte Driesel
seinen Ausweis auf und befahl dem Oberroadie, seine Leute schleunigst in
Sicherheit zu bringen, es würde jetzt gefährlich werden.
»Aber im Keller liegen noch der Gitarrist und der Drummer und
pennen«, warf der schnauzbärtige Mann besorgt ein.
»Um die kümmern wir uns schon«, meinte Haderlein genervt. »Jetzt
pack deine Leute ein und sieh zu, dass ihr verschwindet.«
Der Roadieboss zuckte mit den Schultern, bedeutete den anderen, sich
zu beeilen. Während Haderlein und Driesel vorsichtig durch den Eingang lugten,
verließen immer mehr Tourhelfer das Gebäude. Gespenstische Ruhe breitete sich
aus.
»Gibt’s hier einen Hinterausgang?«, flüsterte Haderlein leise zu
Driesel.
Dieser schüttelte den Kopf. »Dahinter ist nur der Zoo. Er sitzt in
der Falle. Oder er muss aus dem dritten Stock springen.«
Haderlein lächelte grimmig und nickte. Die beiden Kommissare mussten
sich nicht absprechen, um zu wissen, was sie zu tun hatten. Haderlein ging den
linken Halbkreis an der Saalwand entlang, Driesel den rechten. An der Bühne
angekommen nickte Driesel Haderlein kurz zu. Daraufhin sprang dieser auf die
Bühne, und Driesel gab ihm Deckung. Mit gehobener Waffe ging Haderlein die
Treppe hinunter in die Löwensaalunterwelt, Driesel folgte ihm. Mit größter
Vorsicht durchsuchten sie Raum für Raum, bis nur noch eine einzige geschlossene
Tür übrig blieb, über die jemand vor langer Zeit das Wort »Künstlergarderobe«
gepinselt hatte.
Driesels Puls raste. Er hatte ein äußerst ungutes Gefühl. Wenn sich
der Mann da drin versteckte, von dem er es vermutete, dann wurde es jetzt
extrem gefährlich.
Vorsichtig griff Haderlein nach der Türklinke und nickte Driesel zu.
Mit einem plötzlichen Stoß öffnete er die Garderobentür, und Driesel kniete
sich sofort in den Anschlag, um ihn gegebenenfalls zu schützen. Doch der Raum
war leer. Fast.
Zwei halb nackte, tote Musiker, jeder mit einem kleinen Loch in der
Stirn, lagen in einer großen Blutlache auf dem Teppich. Neben den beiden
Leichen entdeckten die Ermittler zwei Kleiderhaufen. Einer davon bestand unter
anderem aus einem Hippiehemd, der andere aus einer sehr teuren schwarzen
Stoffhose, dunkelgrauen Lederschuhen und einem schwarzen Satinhemd.
*
Zur selben Zeit starrten zehn am Straßenrand stehende Roadies ihrem
bunt bemalten Transporter hinterher, der gerade die Autobahnauffahrt
Nürnberg/Mögeldorf Richtung Bamberg hinauffuhr.
Das Buch
Mozart saß mit
Kriminalhauptkommissar Haderlein, Lagerfeld und Hannes Driesel in dessen Büro.
Inzwischen hatte er frische Kleider bekommen und war auch bereits geduscht.
Allerdings war auf die
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