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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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nach
ihrem gemeinsamen Bier in der Klosterstube zu verabschieden. Haderlein hatte
nur kurz probiert, er war ja noch im Dienst, Bruder Anselm hingegen hatte mit
großer Freude dem Bier zugesprochen und dabei begeistert Geschichten aus seinem
Kloster erzählt. Haderlein wollte nun endgültig gehen, als sein Handy
klingelte.
    »Was?«, rief er ins Telefon und stopfte sich einen Finger ins andere
Ohr, um bei dem Krach in der Gaststube überhaupt etwas zu verstehen.
    Bruder Anselm sah, wie das Gesicht des Kommissars sehr ernst wurde
und er aufmerksam zuhörte. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, stand er auf
und gab Pater Anselm die Hand.
    »Tut mir ehrlich leid, Pater, aber ich muss jetzt schnellstens nach
Bamberg zurück. Die Pflicht ruft. Und zwar laut.«
    Bruder Anselm schüttelte ihm die Hand, dass er glaubte, sie würde
gleich abfallen. »War mir eine große Freude, Herr Kommissar!«, rief er, um die
Geräuschkulisse der Gaststube zu übertönen.
    Als Haderlein in sein Auto stieg, wählte er sicherheitshalber noch
einmal die Nummer von Honeypenny, um sich zu vergewissern, dass er auch alles
richtig verstanden hatte.
    »Sie haben schon richtig gehört«, sagte sie mit selten ernster
Stimme. »Ich glaube, es wird wirklich Zeit, dass Sie zurückkommen. Jetzt geht’s
rund.«
    Kriminalhauptkommissar Haderlein startete seinen Wagen und verließ
den Kreuzberg in Richtung Heimat. Im Moment von Honeypennys Anruf hatte der
bisher so friedliche Sommer nun endgültig seine Beschaulichkeit verloren.

Clemens
    »Da die Jugend, wenn sie
nicht in der rechten Weise unterwiesen wird, dazu neigt, weltlichen
Vergnügungen zu folgen, und da sie niemals ohne sehr große und beinahe
außerordentliche Hilfe des allmächtigen Gottes in vollkommener Weise bei der
kirchlichen Zucht bleibt, wenn sie nicht von frühem Alter an – bevor noch der
Hang zum Bösen den ganzen Menschen erfasst – zu Frömmigkeit und Religion
angehalten wird, setzt die Heilige Versammlung Folgendes fest:
    Die einzelnen Kirchen
sollen gehalten sein, entsprechend ihren Möglichkeiten und der Größe der
Diözese, eine bestimmte Zahl von Knaben aus ihrer Stadt und ihrer Diözese in
einem Kolleg, das dazu in der Nähe dieser Kirchen oder einem anderen passenden
Ort vom Bischof auszuwählen ist, zu verköstigen, religiös zu erziehen und in
den kirchlichen Wissenschaften zu unterweisen.
    In diesem Kolleg sollen
solche Knaben Aufnahme finden, die wenigstens zwölf Jahre alt sind und aus
einer rechtmäßigen Ehe stammen, hinlänglich lesen und schreiben können und
deren Anlagen und guter Wille hoffen lassen, dass sie auf Dauer für den
kirchlichen Dienst zur Verfügung stehen wollen.«
    Nach »Seminarium
Ernestinum«, Bamberg
    *
    In den Anfangszeiten war das Knabenseminar noch im Erdgeschoss des
Priesterseminars am Bamberger Maxplatz untergebracht gewesen. Da es jedoch
immer wieder zu wenig Priester gab, beschloss man, es zu vergrößern. Für die
Erweiterung waren die Wohnräume des damaligen Weihbischofs vorgesehen.
    1882 unterstellte der Erzbischof das Knabenseminar einer eigenen
Leitung und gab ihm zur Erinnerung an den großen Bamberger Bischof Otto I., der
noch immer in der Barockkirche auf dem Bamberger Michaelsberg begraben liegt,
den Namen Ottonianum.
    Derartige Geschichtskenntnisse über das Knabenseminar und Bamberg
waren für Clemens Martin eine alberne Übung. Mit seinen erst fünfzehn Jahren
war er seinen gleichaltrigen Mitschülern haushoch überlegen. In seinen
Zeugnissen fand sich ausnahmslos die Note »Eins«. Ein einziges Mal hatte er
sich einen Dreier beim Schulsport am Franz-Ludwig-Gymnasium eingefangen. Trotz
Magen-Darm-Grippe war er im Sommer 1973 zur Leichtathletikprüfung angetreten
und hatte aus Stolz die Erkrankung verschwiegen. Clemens Martin war ein
Spitzenschüler – im naturwissenschaftlichen Bereich geradezu genial. Noch dazu
war er mit einem ansehnlichen Äußeren gesegnet, was ihm schon mehrere
Titelbilder auf Schülerzeitungen oder Stadtmagazinen eingebracht hatte.
    Die Lehrkräfte des Franz-Ludwig-Gymnasiums waren immer wieder
verblüfft, mit welcher Leichtigkeit der blonde Knabe zu erlernenden Stoff nicht
nur aufnahm, sondern auch umsetzte. Schon lange war ihnen klar, dass an ihrer
Schule ein junges Genie heranwuchs. Das Kollegium hegte keinen Zweifel, dass
der Knabe aus Bamberg das Zeug zum zweiten Albert Einstein hatte. Es gab nur einen
Haken an der Sache. Clemens Martin wollte partout Priester werden.
    Alle verzweifelten

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