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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Geistliche
unvermittelt.
    Haderlein war etwas überrascht, wollte sich jedoch keine Blöße
geben. Er war kein Atheist, aber mit kirchlichem Gehabe wollte er in diesem
Leben nichts mehr zu tun haben.
    »Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt, Bruder Anselm«, antwortete
er nachdenklich. »Ich stamme aus Aschau im Chiemgau. Das ist Oberbayern, da
wird man katholisch erzogen. Aber nach dem viel zu frühen Tod meiner Frau kann
ich der Religion und einem Gott nicht mehr viel abgewinnen. Ich möchte nicht
mehr an etwas glauben, ich möchte nur noch wissen. Das ist irgendwie sicherer.«
    »Wie lange waren Sie verheiratet?«, fragte der Pater.
    »Nur ein verdammtes Jahr«, erwiderte Haderlein, und seine Miene
erstarrte zu unbeweglichem Granit. Leise wiederholte er: »Nur ein verdammtes
einziges Jahr.«
    Schweigend standen die beiden minutenlang an der eisernen Brüstung
und ließen ihren Blick über die Rhön schweifen.
    »Herr Kommissar«, sagte Bruder Anselm schließlich, »ich weiß, Sie
müssen bald wieder aufbrechen, aber ich werde Sie nicht fahren lassen, bevor
Sie nicht unser Bier getrunken haben.«
    Haderlein schaute den kleinen, grauhaarigen Mönch an, und seine
harte Miene verschwand. Er musste lächeln.
    »Na schön, Pater Anselm. Ich bin schon gespannt, wie viel Sie mir
von meiner wertvollen Dienstzeit abknöpfen können.«
    Die zwei Männer, die, so schien es, sich gefunden hatten, machten
sich gemeinsam auf den Weg zurück zum Kloster.
    *
    Die Gruppe der Deutschen Pfadfinder Sankt Georg aus Bayreuth hatten
sich diesen Kanuausflug weiß Gott problemloser vorgestellt. Ihre Fahrzeit
hatten sie völlig falsch eingeschätzt und waren viel zu spät an der Ausstiegsstelle
in Hallstadt an der Dörfleinser Brücke angekommen. Die Worte des
Bootsverleihers, der ihnen prophezeit hatte, sie würden es nicht in der
geplanten Zeit schaffen, waren einfach ignoriert worden. Die Kinder im Alter
von zehn bis zwölf Jahren waren erschöpft und hungrig. Aber selbst das wäre
nicht so schlimm gewesen, wenn nicht ein Boot mit vier von ihnen die
Ausstiegsstelle verpasst hätte und gegen die Strömung nicht mehr zurückkam.
    Stefan Löblein, der Leiter der Fahrt, joggte auf der Mainwiese hinter
dem Boot her, um die Kinder durch Anweisungen zum Ufer zu dirigieren. Doch die
brachten mit ihren erlahmenden Kräften keine konsequente Richtungsänderung mehr
zustande. Stattdessen näherten sie sich immer schneller der Hallstadter
Eisenbahnbrücke mit ihren gefährlichen Pfeilern. Stefan Löblein realisierte,
dass seine Ratschläge keinen Sinn mehr hatten. Das Boot steuerte geradewegs auf
den Brückenpfeiler zu.
    »He, Leute«, rief er seinen Jungs zu, »das bringt nichts mehr!
Vergesst das Kanu und springt! Schwimmt rüber und achtet nicht auf die
Ausrüstung. Ihr habt Schwimmwesten an, da kann euch nichts passieren!« Aus dem
Augenwinkel sah er die Brücke auftauchen. »Los, raus jetzt, springt!«, rief er
mit Panik in der Stimme.
    Die vier Pfadfinder folgten der Anweisung, sprangen aus dem Boot und
schwammen ans Ufer. Das würde eine saftige Abreibung geben, das wussten sie.
Das Equipment war zwar versichert, aber trotzdem: Es war ja nicht Zweck der
Übung, dass alles im wahrsten Sinne des Wortes den Bach runterging. Tropfend
kroch ein kleiner Pfadfinder nach dem anderen aus dem Wasser, während das rote
Kanu, das ihnen drei Tage lang treue Dienste geleistet hatte, auf den
Brückenpfeiler zutrieb. Der Main hob das Boot mittig an, kippte es, und der
Wasserdruck presste es mit Urgewalt gegen das restliche Schwemmgut. Der
Bootsrumpf barst mit lautem Knacken.
    Das war’s, dachte Stefan Löblein enttäuscht. Aber vielleicht war ja
noch was von der Ausrüstung zu retten. Es half nichts, sie mussten mit einem
anderen Kanu seitlich ranpaddeln und versuchen zu bergen, was noch zu bergen
war. Er schickte die patschnassen Sünder die zweihundert Meter flussaufwärts
zur eigentlichen Ausstiegsstelle zurück und wartete auf die anderen zwei
jüngeren Begleiterinnen, die schon in einem Boot angepaddelt kamen.
    *
    Lagerfeld parkte am Beginn der langen Auffahrt, die hinauf zum
Waldgrundstück des Anwesens der Familie Graetzke führte. Er klingelte mehrmals,
aber niemand öffnete. Kurzentschlossen stieg er über die betonierte
Raseneinfassung und durch den Garten zum Haus hinauf.
    »Hallo!«, rief er, um sich anzukündigen, doch eine Antwort blieb
noch immer aus. Er umrundete das Haus, bis er wieder am Hintereingang vor der
Veranda stand. Er wollte nur

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