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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Nachbarn.
    Hatte sie ein Geräusch gehört? War etwa wieder dieser Marder im
Garten? Mühsam stand sie aus ihrem Schaukelstuhl auf. Ihr Körpergewicht ließ
keine schnellen Bewegungen mehr zu. Sie griff sich den Besen und schaute
Richtung Gemüsebeet. Nichts. Sicherheitshalber ging sie schnaufend den kleinen
Garten ab und kontrollierte jeden Busch. Dieses blöde Tier. Letztes Jahr hatte
es den Kühlerschlauch des Autos gleich zwei Mal kaputt gebissen. Aber so war
das halt, wenn man am Waldrand lebte.
    Sie ging zurück, stellte den Besen neben die Tür und setzte sich
wieder ächzend in das Korbgestühl auf ihrer Veranda. Das Geflecht stöhnte
ebenfalls unter ihrem Gewicht. Sie griff sich ihre Tasse und trank den Rest von
ihrem noch leicht dampfenden Tee.
    Beate Graetzke war ein großer Fan von Tee und von Roibuschtee im
Besonderen. Wahrscheinlich besaß sie sogar die größte Sammlung von
aromatisiertem Roibusch in ganz Nordbayern. Gerade gönnte sie sich eine
exquisite Mischung namens Nachtflug. Aromen von Vanille und Beeren
umschmeichelten ihren Gaumen. Wenn der Mann Angler war, musste man sich als
Frau etwas einfallen lassen, um sich zu beschäftigen. Besonders wenn die Ehe
kinderlos geblieben war, was nicht daran lag, dass sie unfruchtbar gewesen
wäre, nein, das sicher nicht. Schon nach kürzester Zeit hatte ihr Mann das
Interesse am Körperkontakt mit ihr verloren. »Entweder Angeln oder Sex« schien
für ihn die Devise zu sein, und er hatte sich entschieden. Als Ehefrau blieb
einem da viel Zeit. Sie gähnte. Der leicht süßliche Tee machte anscheinend
müde.
    Tees hatten ja die unterschiedlichsten Wirkungen, aber der Nachtflug
war wirklich phänomenal. Sie machte es sich in ihrem Schaukelstuhl bequem. Es
war zwar noch früh am Abend, aber wieso sollte sie auf ein Nickerchen
verzichten, wenn ihr danach war? Ihre Lider fühlten sich an, als wären sie aus
Blei. Den Tee musste sie sich merken, dachte sie noch, dann fielen ihr die
Augen zu.
    Wenige Augenblicke später betraten zwei Personen die Veranda. Sie
schauten sich kurz um, dann hoben sie Beate Graetzke aus ihrem Stuhl und trugen
sie ins Haus. Mit einem leisen Plopp fiel die sich schließende Verandatür
hinter ihnen gegen den hölzernen Rahmen.
    *
    Das Mitglied der Landtagsfraktion der CSU Gregor Seidl aus München konnte nicht glauben, was er da
hörte. Der neue Umweltminister Kolonat Schleycher hatte vor wenigen Minuten mit
seiner lang erwarteten Rede begonnen. Doch statt sich zum Thema »Ausübung des
Gemeingebrauchs auf freien Fließgewässern in Bayern« zu äußern, wie es alle
erwartet hatten, referierte er nun zum Nichtraucherschutz in Bayern.
Offensichtlich wollte er das Nichtraucherschutzgesetz wieder lockern. Jetzt,
nachdem sich alle endlich daran gewöhnt hatten, wollte er das Fass wieder
aufmachen. Schleycher argumentierte, dass durch die verschiedenen Aufhebungen
des Verbots wieder neue Wählerschichten rekrutiert würden, was im Interesse der
Partei sein müsse, denn die CSU steuere bedenklich auf die Fünfzig-Prozent-Marke zu, und es müsse endlich etwas
dagegen unternommen werden. Und zwar etwas Provokantes und Innovatives.
    Während Kolonat Schleycher weiterreferierte, blickte Gregor Seidl
sich um. Die Gesichter der Anwesenden waren teils ernst, teils belustigt,
manche Parteifreunde nickten auch beifällig. Der Ministerpräsident, der vorne
an einem Tisch neben dem Rednerpult saß, schien fast zu lächeln, als er die
Unruhe in den Fraktionsreihen bemerkte. Na, das kann ja noch eine richtig
lebendige Woche auf Banz werden, dachte Gregor Seidl und lauschte weiter den
Vorschlägen des Umweltministers. Seidl hatte ja keine Ahnung, wie recht er
damit haben sollte.
    *
    Franz Haderlein war mit Pater Anselm auf dem Weg nach draußen. Der
Mönch hatte ihm alle wichtigen Räumlichkeiten des Klosters gezeigt, besonders
ausführlich die Brauerei. Als Franz Haderlein fallen gelassen hatte, dass er in
seinem Privatleben der Brennerei huldigte, waren sie in einen regelrechten
Fachplausch verfallen. Die beiden Männer wurden sich zunehmend sympathischer.
Nachdem die Hausführung beendet war, hatte Pater Anselm den Hauptkommissar
gebeten, ihn zu den drei Kreuzen ein Stück weiter oben am Berg zu begleiten. Er
zeigte ihm die herrliche Aussicht, und Haderlein wollte bei der Gelegenheit auch
gleich die Kreuzwegstation sehen, die Bruder Kolonat vor langer Zeit in
Eigenregie repariert hatte.
    »Glauben Sie eigentlich an Gott?«, fragte ihn der

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