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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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hielt sich da raus. Es brachte nur Ärger ein,
vorschnell Partei für eine Sache zu ergreifen. Er agierte lieber hinter der argumentativen
Frontlinie. Sollten doch andere in der Gruppe ihr verbales Stalingrad
riskieren.
    Schneidereit war keineswegs der beste Schüler am Ottonianum, aber
auch nicht der schlechteste, er lernte lediglich mit einem Minimum an Aufwand.
Zur CADAS war er gekommen, als er
zufällig ins Musikzimmer gestolpert war. Er war geblieben, weil dort etwas
Besonderes ablief und ihm das gefiel. Anmerken lassen würde er sich das
natürlich nie. Aber wenn Clemens nicht da war, wie heute, gab es nur dasselbe
banale Gequatsche wie auch im Schlafsaal. Da las er doch lieber etwas über die
Logik der Sterne. Er kratzte sich an seinem dunkelblonden Stoppelkopf, als die
Tür aufging und Clemens Martin hereinkam.
    Alle schauten ihn an, nur Alfred Schneidereit konzentrierte sich
weiterhin demonstrativ auf seine Sternbilder.
    »Wo warst du denn?«, wollte Peter Nickles wissen.
    Doch der Junge antwortete nicht, sondern setzte sich mit
ausdrucksloser Miene neben die Tür auf den Boden. Er senkte den Kopf und
starrte seine Knie an. Jeder sah, dass er mit seinen Gefühlen zu kämpfen hatte.
Mozart lag eine dumme Bemerkung auf der Zunge, doch er schaffte es tatsächlich,
sie sich zu verkneifen. Clemens Martin schien gerade dabei zu sein, die Fassung
zu verlieren. Niemand von ihnen hatte ihn bisher so erlebt. Seine Finger
drückten dunkle Dellen in den ledernen Einband seines Tagebuchs, seine Knöchel
waren vor Anstrengung ganz weiß. Als er aufschaute, konnte jeder sehen, dass sich
in seinen Augen Tränen angesammelt hatten.
    »Mensch, Clemens, jetzt sag halt, was los ist!«, flehte ihn Emil
Büttner an. Er war der Kleinste und der Ängstlichste in der CADAS . Sogar noch ängstlicher als Peter
Nickles.
    Der Angesprochene zog ein braun kariertes Stofftaschentuch heraus
und schnäuzte sich leise. Dann steckte er es wieder in seine schwarze Stoffhose
und legte sein Tagebuch neben sich auf den Boden. »Der Regens weiß von der CADAS «, erklärte er leise.
    »Scheiße«, erklang es fast gleichzeitig aus allen Ecken.
    »Na endlich!«, fauchte Mozart. »Endlich passiert hier mal was!«
    »Ach was, gar nichts passiert«, sagte Clemens kaum hörbar und griff
wieder nach seinem Tagebuch.
    »Was soll das heißen?«, fragte jetzt Alfred Schneidereit, der
tatsächlich seinen Astrologieschmöker weggelegt hatte.
    »Das heißt, dass der Regens die CADAS dulden wird. Ob er will oder nicht«, antwortete Clemens und hob den Kopf. Ein
Ruck ging durch die Gruppe. Widerspruch gegen die Obrigkeit? Von Clemens?
Allgemeine Diskussion erhob sich.
    »Was? Wie denn das?«, fragte Mozart neugierig.
    »Ganz einfach. Wir werden im Geheimen weitermachen. Der Regens hat
kein Recht, uns unsere Versammlungen zu verbieten«, verkündete Clemens
ungewohnt trotzig.
    Doch er konnte seinen Gedankengang nicht weiter ausführen, weil die
drei noch fehlenden Mitglieder der CADAS eintraten.
    »He, Leute, in fünf Minuten gibt’s Abendessen!«, rief der Größte der
drei, Pankraz Peulendorfer, Sohn eines Brauereibesitzers aus Kulmbach. Dann sah
er Clemens am Boden sitzen. »Na, Clemens, auch wieder mal da?«
    Doch der schaute nur kurz Peter Nickles an, erhob sich wortlos und
ging an ihnen vorbei in Richtung Speisesaal. Peter folgte ihm wie ein Hund.
    »Was hat er denn, der Clemens?«, wollte Pankraz von Alfred
Schneidereit wissen. »Hab ich was Falsches gesagt?« Er schaute seine beiden
Mitankömmlinge fragend an, doch die zuckten nur mit den Schultern, und Alfred
griff sich im Aufstehen sein Buch.
    »Frag ihn selbst, ich geh jetzt jedenfalls zum Essen«, meinte er.
Und mit ihm erhoben sich sieben weitere Schüler des Ottonianums, die auf dem
Weg zum Speisesaal einiges zu bereden hatten.
    *
    Nikolai stand auf der obersten Treppenstufe vor Rasts versiegelter
Wohnung. Mit einigen wenigen Handgriffen durchtrennte Igor das geklebte Siegel
der Polizei und öffnete die massive Eichentür. Routiniert und ohne Eile
durchquerten sie die Wohnung und zogen die Vorhänge zu.
    »Dawai« , flüsterte Nikolai Igor zu, dann begannen sie die
ordentlichste aller Wohnungen gründlich auseinanderzunehmen.
    *
    Haderlein und Lagerfeld saßen an der breiteren Seite des
Verhörtisches. Ihnen gegenüber hatten Scheidmantel plus Freundin sowie
Helmreich Platz genommen. Der Hauptkommissar schaltete das Aufnahmegerät ein
und diktierte die Uhrzeit sowie die Namen der Anwesenden. Dann

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