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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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verschlossener als
sonst, was jedoch kaum jemanden beunruhigte. Schließlich hatte er erst vor
einem halben Jahr seine Eltern bei einem Verkehrsunfall verloren.
    Doch als er anfing, während der CADAS -Versammlungen
ohne Angabe von Gründen zu fehlen, machten sie sich die ersten Gedanken.
    »Kommt Clemens schon wieder nicht?«, fragte der kleine blonde Emil
Büttner. Wie immer hatte sich der Kreis im Musikzimmer versammelt.
    »Woher soll das denn einer wissen?«, erwiderte Max Schiller. »Der
macht doch sowieso, was er will.«
    Max Schiller, allgemein nur Mozart genannt, wusste nicht so genau,
was er von Clemens Martin halten sollte. Einerseits bewunderte er ihn ob seiner
schulischen Leistungen, andererseits stieß ihm die hörige Grundhaltung seines
Mitschülers gewaltig auf. Egal welche Anordnungen vom Regens kamen, Clemens
setzte sie ohne Wenn und Aber um. Für ihn war eine Anordnung von oben Gesetz
und in ihrer Richtigkeit nicht anzuzweifeln. Bestimmt würde Clemens mal Papst
oder so etwas Ähnliches werden, dessen war sich Max sicher.
    Er selbst war da ganz anders gestrickt. Die Rebellion lag ihm im
Blut. Ihm musste man schon etwas gut erklären können, wenn er es einsehen
sollte. Die Charaktereigenschaft war es auch gewesen, die seine Eltern
schließlich hatte verzweifeln lassen und sie bewogen hatte, ihn aufs Ottonianum
zu schicken. Sollte doch die weitbekannte Strenge der Einrichtung ihren Sohn
disziplinarisch einrenken.
    Max Schiller war der Laden bis zum heutigen Tag einfach nur zuwider.
Er fügte sich – aber nur, weil er keine andere Wahl hatte. Sein größtes Plus
war seine außerordentliche musikalische Begabung. Er hatte eine glockenhelle
Stimme und war auch am Klavier ziemlich begabt, was ihm nach der letzten Weihnachtsaufführung
seinen Spitznamen eingebracht hatte. Seine schwarz gelockten Haare passten in
das Bild eines hoffnungsvollen Pianisten. Er war der CADAS wegen der musikalischen Experimente und natürlich auch
aufgrund des subversiven Dunstes der Illegalität beigetreten, die den Treffen
innewohnte. Max Schiller akzeptierte Clemens nur, weil der die CADAS gegründet hatte. Ansonsten wollte
er mit ihm nichts zu tun haben.
    »Mensch, Mozart, ich finde, du bist ziemlich undankbar«, schnauzte
Alfred Schneidereit beiläufig dazwischen, während er in einem Buch über
Astrologie herumblätterte. »Ohne Clemens gäb’s uns gar nicht, und jeder hier
weiß, dass du ihn im Grunde nicht ausstehen kannst.«
    »Ach was, wahrscheinlich ist er wieder beim Regens und holt sich
seine Tagesanweisungen ab.« Er verzog abwertend seine Mundwinkel.
    »Ist doch völlig egal, wo er sich rumtreibt. Er ist jedenfalls nicht
hier, und das schon den zweiten Tag hintereinander. Da ist doch was passiert!«
Der besorgte Einwurf kam von Peter Nickles, einem etwas untersetzten,
weißblonden schüchternen Waisenjungen aus Hof. Früher war er mal richtig dick
gewesen, aber in letzter Zeit hatte er zusehends abgenommen. Doch der
Gewichtsverlust hatte nicht nur positive Seiten, denn mit den Kilos war auch
seine gute Laune verschwunden, und in der Schule verschlechterten sich seine
Zensuren zusehends. Die letzten Wochen war er sehr still geworden, auch in der CADAS , obwohl er immer intensiver an
Clemens’ Lippen hing. Das Genie war eine Art Vaterersatz für ihn geworden. Und
Clemens kümmerte sich auch tatsächlich verstärkt um Peter. Immer häufiger sah
man die zwei während des Frühstücks oder Mittagessens beieinandersitzen. Beide
waren Vollwaisen, womöglich war das der Umstand, der die beiden
zusammengeschweißt hatte, so dachten sich die anderen. Jedenfalls war Peter
Nickles alles andere als ein Alphatier. Wenn es um Heldentaten auf dem Schulhof
ging, verzog er sich schleunigst in eine uneinsehbare Ecke. Auch Kraftmeiereien
waren nicht sein Ding. Er war zwar gerne dabei, aber nie in der vordersten
Front zu finden. Die CADAS war
genau das, was er gesucht hatte, und Clemens Martin hatte ihn gefunden. Hier
herrschte Niveau mit Spaß oder umgekehrt, je nachdem, wie man es sehen wollte.
Und Clemens war es, der den Haufen zusammenhielt. Das merkte man besonders
jetzt, da er nicht da war.
    Von seinem Platz aus betrachtete Peter Nickles Alfred Schneidereit,
der seine Beine auf dem Boden ausgestreckt hatte und mit einer Schulter lässig
am einsamen Fuß des Flügels lehnte. Schneidereit tat wie immer, als ob ihn die
Diskussion nichts anging. Gab es einmal Streit, berührte ihn das nicht. Er
stand über dem Lumpenpack und

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