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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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war
eine Schar von fast zwanghaft Passionierten und gesellschaftlichen
Außenseitern, die immer wieder das Theater besuchten, die Vorstellung schon ein
Dutzend mal oder öfter gesehen hatten und (ohne Zweifel) jedes Wort der
Auftritte auswendig konnten.
    Nach außen hin stets verbindlich, hegte Moon bei
sich nichts als Verachtung für seine Jünger, trotz des Umstands – oder
vielleicht gerade deswegen –, dass sein Auskommen in wachsendem Maße von
ihnen abhing.
    Dankenswerterweise schleppte sich die Kapelle dem
Ende ihres kargen Repertoires entgegen, im Saal wurde es dunkel, und begleitet
von anhaltendem Trommelwirbel betrat Edward Moon die Bühne. Er verbeugte sich
unter dem augenblicklich einsetzenden Applaus. Als er eine geschlossene Front
seiner Bewunderer bemerkte, die die gesamte fünfte und sechste Reihe einnahm,
quittierte er ihre Anwesenheit mit einem flüchtigen Nicken. Und dann setzte er
sein routiniertes Lächeln auf und begann seinen ausgeleierten Auftritt mit der
Gewissheit, eine zwar kleine, aber wohlgesinnte Zuseherschaft vor sich zu
haben.
    Sorgfältig unterließ er alles, was
Nichteingeweihte stets erwarteten: die billigen Taschenspielertricks der Zunft;
im »Theater des Unglaublichen« gab es keine Kaninchen, keine Hüte, kein Mischen
von Spielkarten, keine bunten Tücher, keine Ringe, Becher oder Kugeln –
das, was Moon seinen Zuschauern bot, war weitaus ausgefallener.
    Unter dem beifälligen Gejohle seines
Stammpublikums produzierte er aus dem Nichts etwas, das aussah wie eine große,
runzlige Galapagos-Schildkröte, die flugs zwischen den Zuschauern
davonkrabbelte und sich unter aller Augen unerklärlicherweise wieder in nichts
auflöste. Er zog nach und nach sämtliche Bände einer Ausgabe
Konversationslexika aus seinen offenbar bodenlosen Jackentaschen, selbst dann
noch, nachdem einer der Zuschauer bestätigt hatte, dass sie leer waren. Auf
seinen Befehl hin erschien in einer magentafarbenen Rauchwolke ein lebender
Affe und schnatterte und trieb eine Weile köstlichen Schabernack.
    In Vorbereitung der ersten größeren Nummer des
Abends wählte der Affe einen Herrn aus dem Publikum aus, der auf Moons
Anweisung hin – und begleitet von aufmunternden Rufen und Beifall –
widerstrebend aufstand und sich auf die Bühne begab. Als der Mann bei ihm
angelangt war, schnalzte Moon mit den Fingern, und der Affe machte sich folgsam
aus dem Staub.
    »Würden Sie uns wohl Ihren Namen verraten, Sir?«,
fragte Moon mit einem Zwinkern in sein wissendes, lachendes Publikum, dem
völlig klar war, dass gleich einer aus seiner Mitte um die Fassung gebracht,
benutzt, genarrt oder – noch besser – gedemütigt und in aller
Öffentlichkeit lächerlich gemacht werden würde.
    »Gaskin«, antwortete der Mann in einem
beflissenen, unangenehmen Tonfall. »Charlie Gaskin.« Er war untersetzt, hatte
einen dicken Bauch und trug (untunlicherweise, meiner Meinung nach) den
schlaffen, zotteligen Abklatsch eines ausladenden Schnauzbartes unter der Nase.
    Moon hielt Gaskin mit seinem Blick fest. »Sie sind
Kammerdiener«, sagte er. »Sie sind verehelicht und haben zwei Kinder. Ihr Vater
war Herrenschneider und starb letztes Jahr an der Schwindsucht. Zum Abendmahl
hatten Sie heute halb verdorbenen Räucherhering. Sie verbringen viele Ihrer
Mußestunden mit der Ergänzung und Instandhaltung einer Sammlung alter Uhren.«
    Gaskin war sichtlich verblüfft. »Stimmt alles«,
gab er zu.
    Aus dem Publikum brandete der Applaus auf. In der
dritten Reihe sprang die Ehefrau des Mannes auf und klatschte begeistert.
    Gaskin war rot angelaufen und lachte. »Wie, zum
Teufel, kommt es, dass Sie das alles wissen?«
    Moon zog eine Braue hoch. »Magie«, sagte er.
    Ich kann Sie mir jetzt gut
vorstellen – begierig und mit glänzenden Augen nach einer Erklärung
lechzend, wie um alles in der Welt Moon diese Dinge wissen konnte; erpicht auf
eine eingehende Analyse seiner Denkweise, was Kombination und sich daraus
ergebende logische Folgerungen betrifft. Bedauerlicherweise muss ich Sie
enttäuschen. Was folgt, kann nicht mehr sein als der vorsichtige Versuch einer
Rekonstruktion seiner Vorgehensweise.
    So wie ich es sehe, gibt es drei Möglichkeiten.
    Die erste wäre, dass dieser unheimliche
Durchblick, den Moon hier bekundete, einen simplen Betrug darstellte, dass
Gaskin als eingeschleuster Komplize zusammen mit Moon den Text zuvor
abgesprochen hatte. Kurz gesagt, dass alles ein billiger Trick war. Was jedoch
unmittelbar danach

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