Das Alexandria-Komplott
»Woher wußten Sie, daß sich die Schätze der Bibliothek unter diesem niedrigeren Hügel verbargen und nicht unter dem höheren Gongora?«
»Selbstverständlich«, antwortete Pitt. »Unglücklicherweise hatte ich keine Zeit für lange Erklärungen, um die Befürchtungen der anderen zu zerstreuen.« Er machte eine Pause und lächelte seinen Vater an. »Ich bin nur froh, daß Sie mir alle vertraut haben. Aber eigentlich bestand kein Zweifel. Die Beschreibung, die Junius Venator von der Stelle gab und die in den Stein, der von Sam Trinity gefunden worden war, geritzt war, besagte: ›Halte dich nördlich und sieh geradewegs nach Süden zur Klippe des Flußufers.‹ Als ich nördlich des Gongora Hill stand und in gerader Linie nach Süden blickte, bemerkte ich, daß das Steilufer von Roma beinahe einen halben Kilometer westlich, rechts von mir lag. Also bewegte ich mich weiter nach Westen und dann ein bißchen nach Norden und kam zum ersten Hügel, auf den Venators Richtungsangaben zutrafen.«
»Wie heißt er denn?« fragte der Senator.
»Dieser Berg hier?« Pitt hob geschlagen die Hände. »Soweit ich weiß, hat er keinen Namen.«
»Jetzt hat er einen«, lachte der Präsident. »Sobald Dr. Sharp mir mitteilt, daß ich die Entdeckung des größten Schatzes der Weitgeschichte ankündigen kann, werden wir behaupten, er stamme aus dem ›Namenlosen Berg‹.«
In der Dämmerung hob sich Nebel vom Fluß, und die aufgehende Sonne strahlte über dem Tal des Rio Grande, als der Präsident und seine Begleiter höchst beeindruckt von dem, was sie gesehen hatten, nach Washington zurückflogen.
Pitt und Lily saßen auf dem Gipfel des Namenlosen Berges und atmeten die feuchte Kühle des Morgens ein.
Lily lächelte Pitt an. Seine Augen blickten jetzt sanft und zärtlich. Dann traf die Sonne sein Gesicht, aber das bemerkte er nicht. Er spürte nur ihre Wärme. Sie wußte, daß seine Gedanken in der Vergangenheit weilten.
Sie hatte begriffen, daß Pitt ein Mann war, den keine Frau je vollkommen besitzen würde. Seine Liebe gehörte unbekannten Herausforderungen – einem Geheimnis, dessen Sirenenklänge nur er hören konnte. Er war ein Mann, wie ihn sich jede Frau für eine leidenschaftliche Affäre erträumte, den sie jedoch nie heiraten würde. Sie wußte, daß ihre Beziehung keinen Bestand haben würde, aber sie hatte die feste Absicht, jeden Augenblick, den sie Zusammensein konnten, zu genießen. Eines Tages würde sie aufwachen und feststellen, daß er sie verlassen und sich auf die Suche nach dem Geheimnis, das hinter dem nächsten Berg lag, begeben hatte.
Lily schmiegte sich an ihn, den Kopf auf seiner Schulter. »Was stand auf dem Schild?«
»Auf welchem Schild?«
»Dem auf der Rolle, an der ihr beide, Al und du, soviel Interesse hattet.«
»Ein Hinweis auf ein anderes Versteck von Kunstgegenständen«, sagte er ruhig und blickte immer noch in die Ferne.
»Wo denn?«
»Unter dem Meer. Die Rolle trug die Bezeichnung ›Aufzeichnung von Schiffswracks mit wertvoller Ladung‹.«
»Und du wirst sie suchen?«
Er drehte sich um und lächelte. »Schadet ja nicht, wenn man mal nachsieht. Unglücklicherweise räumt mir Uncle Sam nur wenig Zeit dafür ein. Ich muß vorher noch im brasilianischen Dschungel nach der goldenen Stadt, nach El Dorado, suchen.«
Sie sah ihn aufmerksam an, lehnte sich dann zurück und blickte zu den allmählich verblassenden Sternen auf. »Ich frage mich, wo sie begraben liegen.«
»Wer?«
»Die Abenteurer, die Venator geholfen haben, die Sammlung der Bibliothek in Sicherheit zu bringen.«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist schwer, Junius Venators Gedankengang zu folgen. Er könnte seine byzantinischen Kameraden fast überall zwischen diesem Punkt hier und dem Flußufer begraben haben.«
Sie schob die Hand hinter seinen Kopf und zog ihn sanft zu sich herunter. Ihre Lippen trafen sich, und sie küßten sich leidenschaftlich. Ein Falke drehte über ihnen im orangefarbenen Himmel seine Kreise, aber als er nichts Appetitliches entdeckte, flog er in südliche Richtung nach Mexiko davon. Lilys Augen öffneten sich, und in gespieltem Schaudern zuckte sie zurück.
»Meinst du, es macht ihnen etwas aus?«
Pitt sah sie neugierig an. »Was soll wem etwas ausmachen?«
»Wenn wir uns auf ihrem Grab lieben. Sie könnten sehr gut direkt unter uns liegen.«
Er sah in ihre Augen. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem vergnügten Grinsen.
»Ich glaube nicht, daß es sie stört. Mich würde so etwas
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