Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
uns zu arbeiten, irren Sie sich. Sie wird für das, was sie jetzt macht, viel besser bezahlt.«
»Gewiss, Frau Billinger. Gewiss. Wenn Sie nur so liebenswürdig wären, mich anzurufen, wenn sie auftaucht, dann wäre ich schon zufrieden. Bitte, rufen Sie mich an, sobald sie kommt. Würden Sie das tun, Frau Billinger?« Das Schweigen am anderen Ende der Leitung drückte in der Regel Frau Billingers Zustimmung aus.
»Und noch etwas, Frau Billinger. Wir möchten nicht, dass Frau Wagner gleich wieder geht, wenn sie erfährt, dass Erich Blumenfeld gar nicht da ist. Lassen Sie eine Ihrer Kolleginnen etwas Kuchen holen, das Geld bekommen Sie natürlich von mir zurück. Machen Sie ihr eine Tasse Tee. Wir werden dann so schnell wie möglich da sein. Aber wie gesagt, Sie müssen unbedingt sofort anrufen, wenn sie kommt.«
»Uuuuh! Das klingt aber spannend!«, rief Frau Billinger erfreut. »Ich liebe Kuchen und Geheimnisse.«
51
DAS GESPRÄCH , wenn man es denn so nennen konnte, war sehr kurz gewesen. Gerhart hob vorsichtig den Kopf, hielt mit dem Zählen inne und sah Andrea an. Sie stand mitten im Wohnzimmer und verzog das Gesicht. Sie war ganz offenkundig überrumpelt worden. Das passierte äußerst selten. Wäre sie etwas jünger, wäre sie sicher mehr auf der Hut gewesen. Sie fluchte. Gerhart lehnte sich gegen den Stuhlrücken.
Womöglich würde jetzt jemand bezahlen müssen.
»Diese verdammte Hexe!«, schimpfte Andrea und ging auf und ab. Einen kurzen Moment verschwand sie hinter den Flügeltüren. »Diese verdammte kleine Hexe!«, tobte sie.
Dann wurde es still, und Gerhart fing wieder an, die Stuckrosetten zu zählen. Kurze Zeit später schlurfte Andrea in Pantoffeln ins Wohnzimmer, nahm Gerhart beim Arm und führte ihn hinaus in die Küche.
Still saß er unter der Leuchtstoffröhre und hörte Andreas ärgerlichen Murmeln zu, bis ihr Mann wiederkam. Gerharts Blick wurde verschwommen. Er versuchte, die Worte, ohne sie zu registrieren, durch sich hindurchströmen zu lassen.
»Ich habe ihn gesehen! Arno von der Leyen!«, rief Stich. »Es war unglaublich. Er sprach Englisch, genau wie Lankau gesagt hat. Unglaublich! Ich dachte, ich spinne, als er sich mit ›Bryan Underwood Scott‹ vorstellte, genau wie Kröner gesagt hat! Davon weiß Lankau noch gar nichts. Was für ein Name!« Stich versuchte zu lachen, musste sich aber räuspern. »Was für ein Narr! Hochtrabender ging’s wohl nicht. Bryan Underwood Scott!« Dann riss er sich am Riemen und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Ich habe mit ihm gesprochen. ›Excuse me‹, hater gesagt. Der hatte keine Ahnung, wer ich bin.« Sachte kniff er seiner Frau in die Wange. »Er wusste nicht, wer ich bin, Andrea! Gott segne dich! Du hattest die Idee mit der OP. Ha! Du hättest ihn hören sollen.« Er räusperte sich noch einmal und ließ sich nach all der Anstrengung, der Aufregung und dem schnellen Marsch zurück zur Wohnung und die Treppe hinauf schwer atmend auf einen Stuhl fallen. »Ich habe mich in knapp zwei Stunden mit ihm verabredet, Andrea.« Er lächelte sie an. »Er glaubt, dass er mit uns zu Abend essen soll. Um halb neun in der Längenhardstraße 14. Keine Ahnung, wer da wohnt.« Er lachte und zog einen Stiefel aus. »Aber das wird Arno von der Leyen auch nie erfahren. Dafür werden wir zwei schon sorgen, nicht wahr, Andrea? Ich habe ihm geraten, durch den Stadtgarten zu gehen.«
»Sie hat angerufen.« Andrea sprach die Worte vorsichtig aus und zog sich ein wenig zurück, damit Gerhart Peuckert zwischen ihr und ihrem Mann saß. Peter Stich ließ den zweiten Stiefel los und sah ihr ins Gesicht.
»Die Wagner?«
Gerhart öffnete die Augen und sah sich verwirrt um, bis er die Punkte auf Andreas Schürze entdeckte. Er fing links unten an, sie zu zählen, von links nach rechts, von unten nach oben. Ganz langsam erhob Andrea sich. Gerharts Blick folgte ihr und war starr auf die Punkte geheftet.
»Ja, vor zehn Minuten. Sie hat nach dir gefragt.«
»Und …?«
»Und als ich ihr sagte, dass du nicht hier bist, hat sie aufgelegt.«
»Du dämliche Kuh!«, schrie er und packte den Stiefel, den er gerade ausgezogen hatte. »Du verdammte dämliche Kuh!« Gerharts gepunktete Landschaft wurde deformiert, als Andrea Stich sich gegen die Tischkante lehnte, um einem Schlag auszuweichen. Ihr Mann konnte sehr gezielt zuschlagen. Als ihre Blicke sich begegneten, hielt er in der Bewegung inne und ließden Arm sinken. »Du weißt doch, dass Kröner nach ihr sucht,
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