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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Unsinn redete. Jedenfalls war es keine ihm bekannte Magie. Allerdings spürte er die Macht des Hügels in der Stimme des alten Mannes.
    »Ich werde dienen«, verkündete die Frau.
    Die Überheblichkeit war aus ihrer Stimme gewichen, nicht aber die Macht. Hedge bemerkte, wie ihre Halsmuskeln sich spannten, als sie sprach. Er lächelte und hob die Hand. »Chartersteine wurden zu nahe am Hügel errichtet. Du wirst sie zerstören.«
    »Das werde ich«, versicherte die Frau und senkte den Kopf.
    »Du warst Nekromantin«, fuhr Hedge fort. In früheren Jahren hatte Kerrigor alle Nekromanten des Königreichs zu sich gerufen, damit sie ihm als Unterführer dienten. Die meisten waren entweder bei Kerrigors Sturz gefallen oder die Abhorsen hatte sie in den Jahren darauf getötet. Nur wenige hatten überlebt. Diese Frau jedoch war nie eine Dienerin von Kerrigor gewesen.
    »Ja, ich war Nekromantin«, entgegnete die Frau. »Vor langer Zeit.«
    Hedge spürte das schwache Flackern von Leben in ihr, doch es war tief unter den zauberbedeckten Pelzen und der Bronzemaske vergraben. Sie war alt, diese Zauberin, sehr, sehr alt – was für eine Nekromantin, die im Tod schreiten musste, nicht von Vorteil war. Dieser eisige Fluss hatte eine besondere Vorliebe für jene, die sich ihm über ihre vom Schicksal vorgesehene Lebensspanne hinaus entzogen hatten.
    »Du wirst die Glocken wieder an dich nehmen, denn für die bevorstehende Arbeit wirst du viele Tote benötigen.« Hedge öffnete sein eigenes Bandelier und reichte es der Frau behutsam, damit nur ja keine der Glocken zum Klingen gebracht würde. Er selbst hatte noch einen weiteren Satz Glocken, den er einem geringeren Nekromanten im Chaos nach Kerrigors Niederlage weggenommen hatte. Es würde nicht ungefährlich sein, sich die Glocken zu holen, denn sie befanden sich im Zentrum des Reichs, das der König und seine Abhorsen-Königin längst zurückerobert hatten. Doch für seine unmittelbaren Pläne benötigte Hedge die Glocken nicht – und sie dorthin mitzunehmen, wohin er sich begeben wollte, war ohnehin unmöglich.
    Die Frau nahm die Glocken, schlang sich das Bandelier aber nicht um. Stattdessen streckte sie den rechten Arm aus, die Handfläche nach oben. Ein winziger Funke glitzerte darin, ein Metallsplitter, der durch sein eigenes, weiß glühendes Feuer leuchtete. Hedge streckte die Hand aus, und der Splitter sprang zu ihm hinüber und grub sich unmittelbar unter die Haut, ohne Blutgefäße zu verletzen. Hedge hielt ihn vors Gesicht und spürte die Macht in dem Metall. Dann schloss er bedächtig die Finger und lächelte.
    Dieser Splitter zauberträchtigen Metalls war nicht für ihn bestimmt. Es war ein Same, der in viele Böden gepflanzt werden konnte. Hedge hatte etwas ganz Bestimmtes mit ihm vor. Ihm schwebte ein äußerst fruchtbares Beet vor, in dem dieser Same zur vollen Frucht reifen konnte. Aber es würde wahrscheinlich noch viele Jahre dauern, ehe er ihn dort säen konnte, wo er am meisten Schaden anrichtete.
    »Und du?«, fragte die Frau. »Was hast du vor?«
    »Ich begebe mich in den Süden, Maskenchlorr«, antwortete Hedge und machte sie so darauf aufmerksam, dass er ihren Namen kannte – und noch vieles andere. »In den Süden nach Ancelstierre über der Mauer. Das Land meiner Geburt, obwohl ich geistig kein Kind seiner kraftlosen Scholle bin. Ich habe vieles zu erledigen dort – und einiges noch weiter entfernt. Doch du wirst von mir hören, wenn ich dich brauche. Oder wenn ich Neuigkeiten erfahre, die mir nicht gefallen.«
    Er drehte sich um und schritt ohne ein weiteres Wort davon. Ein Gebieter muss sich von keinem seiner Dienstboten verabschieden.

     

Erster Teil
     
Das Alte Königreich
     
    Vierzehntes Jahr der Restauration von König Touchstone I.

1
    EIN ENTTÄUSCHENDER GEBURTSTAG
     
    Tief in einem Traum versunken, spürte Lirael, wie jemand ihr über die Stirn strich. Es war eine angenehme, sanfte Berührung, eine kühle Hand auf ihrer fiebrigen Haut. Sie freute sich über diese unerwartete Geste und spürte, dass sie lächelte. Dann aber veränderte sich der Traum; die Berührung war nun nicht mehr sanft und liebevoll, sondern derb und rau, nicht mehr lindernd kühl, sondern brennend heiß…
    Sie schreckte auf und erkannte, dass sie das Betttuch zur Seite gezerrt hatte und mit dem Gesicht auf dem grob gewebten Matratzenschutz aus kratziger Wolle lag. Ihr Kopfkissen war auf den Boden gefallen. Sie hatte den Bezug offenbar während eines Albtraums

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