Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
berichtet eine aufregende Geschichte von »Gruppentrauer«, die er in einer Pferdeherde beobachtet hat. Innerhalb von zweiundsiebzig Stunden waren drei Fohlen gestorben. Drei Tage lang stand die gesamte Herde in einem Kreis um die Fohlen herum und schaute sie an. Sie gingen nur weg, um kurz am nahe gelegenen Bach zu trinken und kehrten dann sofort wieder in ihre Position zurück. Etwas Vergleichbares hat er vorher und nachher nie wieder beobachtet.
Dabei betont Beck, dass er keine einheitliche Reaktion auf Tod bei den Pferden der Farm beobachten konnte, auch nicht bei Stuten nach dem Tod ihres eigenen Fohlens. Eine Stute, die zwei missgebildete (und tote) Fohlen geboren hatte, zeigte überhaupt keine Reaktion, während andere Zeichen echter Aufregung zeigten, wenn man ihre toten Fohlen wegbrachte. Beck mutmaßt, dass ein Faktor zur Erklärung dieser unterschiedlichen Reaktionen die tatsächliche biologische Auswirkung des jeweiligen Todesfalles sein könnte: Wenn man es eher biologisch anstatt emotional betrachtet, hat eine junge Stute wenig verloren, wenn ihr erster Fortpflanzungsversuch fehlschlägt. Eine ältere Stute dagegen, ohne lebende Nachkommen und mit nur noch wenig Gelegenheit, ihre eigenen Gene weiterzugeben, könnte ganz anders reagieren. Dies ist eine interessante Hypothese und eine, die uns vielleicht eines Tages verstehen hilft, was in Verstand und Gefühlen von anderen Tieren vorgeht, wenn sie es mit dem Tod zu tun haben.
Die gleiche Vielfalt von Reaktionen, die Beck bei Pferden beobachtet, ist auch bei Hunden offensichtlich, die auf den Tod eines Menschen oder eines anderen Hundes reagieren. Manche Hunde scheinen sehr zu leiden, während viele (wenn nicht die meisten) sich so benehmen, als sei nichts geschehen. Als mein erster Border Collie, Drift, im Alter von fünfzehneinhalb Jahren starb, wurde er im Haus eingeschläfert und vom Tierarzt weggebracht. Ich konnte bei keinem meiner anderen Hunde eine Verhaltensänderung feststellen, nachdem er fort war. Ich weiß nicht, ob es etwas ausmachte, dass Drift vor seinem Tod fast taub und blind war und kein besonders aktives Mitglied der Gruppe jüngerer Hunde mehr. Diese hatten trotzdem immer versucht, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Im Grunde ignorierte er sie, es sei denn es wurde ihm zu bunt, wenn sie ihn unabsichtlich vor der Tür überrannten. Vielleicht beeinflusste das ihre Reaktion (oder eben Nicht-Reaktion) auf seinen Tod.
Einige Tiere aber zeigen Zeichen von Depression und verhalten sich ganz ähnlich wie trauernde Menschen. Ich hatte Kunden, deren Hunde noch Wochen nach dem Tod eines befreundeten Artgenossen dahinkümmerten. Während meiner Doktorarbeit tötete eine Zuchthündin ihre zehn Tage alten Welpen. 2 Nachdem wir die toten kleinen Körper weggeschafft hatten, verbrachte die Mutter drei Tage lang mit Heulen und Suchen nach ihren Welpen.
Was wir wissen, ist, dass es in manchen Fällen hilfreich ist, die lebenden Tiere noch eine Zeit mit dem Körper des toten verbringen zu lassen. Zum ersten Mal hatte ich von diesem Vorgehen bei Pferden gehört. Auf der White Horse Farm hatte man aus Gründen der Hygiene und Krankheitsvorsorge die Kadaver verendeter Fohlen immer so schnell wie möglich von den Müttern weggeräumt. Meistens reagierten die Stuten mit extremer Aufregung, sie wieherten wild und tobten in ihren Ställen. Eines Tages aber starb ein Fohlen, als niemand da war und es dauerte viele Stunden, bis man den toten Körper wegbrachte. Als das geschah, widmete die Stute dem keine Aufmerksamkeit und fraß weiter ihren Hafer. Es schien so, dass die Stunden, die sie mit ihrem toten Fohlen verbracht hatte, es ihr ermöglicht hatten, sein Verschwinden zu akzeptieren. Seit dieser Beobachtung lässt man auf der Farm tote Fohlen mit Absicht noch ein paar Stunden bei der Stute und stellte fest, dass die Stuten so ruhiger bleiben, wenn man die Kadaver wegnimmt. Ich musste an diese Geschichte denken, als meine Misty starb und ließ sie »aufgebahrt«, falls es für meine anderen Hunde hilfreich sein könnte.
Dabei hatte ich gar nicht bedacht, wie hilfreich dieses »Aufbahren« von Mistys Körper über Nacht in meinem Haus für mich selbst sein würde. Es war tröstlich für mich, Zeit mit ihrem Körper zu verbringen und ihn mit meiner Hand zu spüren. Bis vor ein paar Tagen hatte ich nicht einmal gewusst, dass sie krank war, und obwohl ich das Wochenende hatte, um mich darauf einzustellen, erschien mir ihr plötzlicher Verlust aus meinem
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