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Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Titel: Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia B. McConnell
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Treppe herunter und streichelte ihr weiches schwarzes Fell, manchmal weinend, manchmal nicht und versuchte, die Kluft zwischen einem Leben mit ihr und einem Leben ohne sie zu schließen. Als der Morgen dämmerte, fanden mich meine anderen Hunde wieder an ihrer Seite sitzend. Pip hatte sie inzwischen über und über beschnüffelt, die ganze Nacht lang, und sah keinen Grund mehr, nochmals zu ihr hinzugehen. Lassie sprang immer noch mit großen Augen und Geräusche machend vor und zurück, wie ein Vollblutfohlen, das zum ersten Mal in seinem Leben einen Zug gesehen hat. Luke sah weiterhin gleichgültig aus, bis ich ihn herrief und Mistys Flanke mit diesen schnellen, leichten Klopfbewegungen berührte, die einen Hund aufmerksam machen. Luke beugte seinen Kopf zum Schnüffeln herunter und warf ihn dann hoch, als ob er geschockt wäre. Seine Augen wurden riesengroß und er sah nach oben mit einem Ausdruck reinen Erschreckens direkt in meine Augen, um dann jeden Zentimeter von Mistys Körper abzuschnüffeln. Er stupste sie mit der Nase an, winselte, leckte – und sah immer wieder zu mir auf, direkt in meine Augen, als ob er mich etwas fragen wolle.
    Es ist jetzt drei Jahre her, dass Misty tot ist. Ich vermisse immer noch ihren feinen kleinen Fang, ihre an Don Quijote erinnernde Besessenheit, Tauben hüten zu wollen und ihre Sanftheit zu Menschen. Ich habe beim Schreiben dieser Zeilen ein bisschen geweint, denn Mistys Tod ist noch nah genug und ihr Leben groß genug, um diese Erinnerungen in meinem Herzen wach werden zu lassen. Luke liegt in der Zimmermitte, genau da, wo Misty in jener langen, dunklen Nacht lag. Wenn es je möglich werden würde, zu erfahren, was ein Hund denkt, dann würde ich ihn fragen, was seiner Meinung nach mit Misty passiert ist, wo sie jetzt wohl ist und ob er sie vermisst.

    Es wird noch lange Zeit dauern, bevor wir verstehen, was im Kopf eines Hundes vorgeht, wenn jemand aus seinem sozialen Kreis stirbt. Ich hatte Kunden, deren Hunde wie Menschen zu trauern schienen. Ein Hund wartete sechs Monate lang am Fenster auf einen kleinen Jungen, der nie mehr nach Hause kam. Das Kind war bei einem Autounfall ums Leben gekommen und sein Freund, der Golden Retriever, wartete jeden Nachmittag an der Haustür auf sein Nachhausekommen. Nach ein paar Stunden warten seufzte Goldie jedes Mal tief, legte sich niedergeschlagen hin und wollte weder spielen noch spazieren gehen. Seine Besitzerin rief mich an, weil der Hund so wenig fraß, dass er zu verhungern drohte.
    Wir wissen einfach nicht, ob Hunde eine Vorstellung vom Tod haben. Wie Marc Hauser korrekt in seinem Buch Wild Minds darlegt, ist es sehr gut möglich, dass Tiere durch das seltsame Verhalten eines anderen verstört sind oder leiden, weil sie die soziale Interaktion eines Kumpanen verloren zu haben, ohne dabei wirklich das Konzept vom Tod zu verstehen. Der Schmerz über einen Verlust und das Verstehen des Todes sind zwei sehr unterschiedliche Dinge, und wenn man bedenkt, dass auch Menschenkinder erst im Alter von acht oder zehn Jahren verstehen lernen, was der Tod bedeutet, ist es nicht dumm, diese Frage zu stellen. Sicher gibt es einige erstaunliche Berichte von Tieren, die sich so benahmen, dass man einen echten Trauerprozess annehmen konnte. Elefantenforscher wie Cynthia Moss haben beobachtet, wie Einzeltiere verzweifelt versuchten, ein sterbendes Herdenmitglied wieder auf die Füße zu bringen und es sogar zum Fressen bringen wollten, indem sie Gras in sein Maul stopften. Elefanten sind berühmt dafür, und das zu Recht, die Körper toter Familienmitglieder tagelang nicht zu verlassen und sie immer wieder mit Rüsseln oder Füßen zu berühren. Bei Schimpansen und Gorillas hat man beobachtet, dass sie tagelang den Körper eines toten Jungen mit sich herumtrugen, selbst wenn der Kadaver schon zu verwesen begann. Ein Forschungsassistent vom Monterey Bay Delphinprojekt beobachtete eines Tages eine Gruppe von großen Tümmlern, die in ungewöhnlicher Formation schwamm. Sie schwammen so langsam und so koordiniert, dass die Beobachter es als »Prozession« beschrieben. In der Mitte der Gruppe schwamm ein Muttertier mit einem neugeborenen toten Kalb auf ihrem »Nasenrücken« (rostrum). Langsam wurde sie in der Mitte der Gruppe von den anderen begleitet. Die menschlichen Beobachter waren so bewegt, dass sie aus Respekt eine weitere Verfolgung und Beobachtung der Gruppe abbrachen.
    Andy Beck, Verhaltensforscher auf der White Horse Farm in Neuseeland,

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