Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
nachdenken. Denken Sie an diese winzige Drehung des Kopfes, die Ihre Aufmerksamkeit erregte, als Sie sich mit jemand verabredet hatten? Überlegen Sie, wie wenig sich jemandes Lippen bewegen müssen, damit ein Lächeln zu einem hämischen Grinsen wird. Wie weit muss sich eine Augenbraue bewegen, damit sich die Botschaft ändert, die wir von diesem Gesicht lesen – zwei Millimeter?
Vielleicht meinen Sie, dass wir dieses Allgemeinwissen automatisch auch in unserem Umgang mit Hunden anwenden. Tun wir aber nicht. Oft sind wir uns gar nicht bewusst, wie wir uns in der Nähe unserer Hunde bewegen. Es scheint eine sehr menschliche Eigenschaft zu sein, dass wir nicht wissen, was wir mit unserem Körper machen und uns nicht bewusst sind, wo unsere Hände sind oder dass unser Kopf sich gerade gedreht hat. Wir senden zufällige Signale aus wie eine verrückt gewordene Verkehrsampel, während unsere Hunde verwirrt zusehen und ihre Augen wie in einem Comicstrip verdrehen.
Diese visuellen Signale haben genau wie unsere übrigen Handlungen einen tiefgehenden Einfluss darauf, was unsere Hunde tun. Wer Hunde sind und wie sie sich verhalten wird zum Teil davon bestimmt, wer wir Menschen sind und wie wir uns verhalten. Haushunde teilen ihr Leben definitionsgemäß mit einer anderen Spezies: mit uns. Deshalb ist dies ein Buch für Hundefreunde, aber nicht nur ein Buch über Hunde. Es ist auch ein Buch über Menschen. Es ist ein Buch darüber, worin wir unseren Hunden ähneln und worin wir von ihnen verschieden sind.
Unsere Spezies hat so viel mit Hunden gemeinsam. Wenn Sie das breite Spektrum allen tierischen Lebens von Käfern bis hin zu Bären betrachten, haben Hunde und Menschen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Genau wie Hunde produzieren wir Milch für unsere Jungen und ziehen sie in einer Sippe auf. Unsere Babys müssen beim Großwerden viel lernen; wir jagen im Team; wir spielen selbst als Erwachsene noch alberne Spiele; wir schnarchen; wir kratzen und strecken uns und gähnen an sonnigen Nachmittagen. Schauen Sie einmal, was die neuseeländische Autorin Pam Brown in ihrem Buch Bond for Life (Ein Bund fürs Leben) über Menschen und Hunde zu sagen hatte:
Die Menschheit fühlt sich zu Hunden hingezogen, weil sie uns so sehr ähneln – sie sind angeberisch, zärtlich, verwirrt, leicht zu enttäuschen, auf Vergnügen aus, dankbar für Freundlichkeit und die kleinste Aufmerksamkeit.
Diese Ähnlichkeiten ermöglichen es den Mitgliedern zweier verschiedener Spezies, eng zusammenzuleben, Nahrung und Erholung zu teilen und sogar die Jungen gemeinsam großzuziehen. 1 Das Leben vieler Tiere ist eng mit dem anderer verbunden, aber unsere Verbindung zu Hunden ist wirklich tief. Die meisten von uns gehen mit ihren Hunden spazieren, spielen mit ihren Hunden, essen zur gleichen Zeit wie ihre Hunde (manchmal sogar das gleiche Essen) und schlafen mit ihren Hunden. Manche von uns brauchen Hunde immer noch bei ihrer täglichen Arbeit. Schafhalter in Wyoming oder Milchviehfarmer in Wisconsin brauchen ihre Hunde genauso oder noch mehr wie Maschinen und High-Tech Fütterungssysteme. Wir wissen, dass Hunde das Leben vieler Menschen bereichern, Millionen auf der ganzen Welt Freude bereiten und Trost sind. Studien zeigen sogar, dass sie das Risiko eines zweiten Herzinfarktes senken. Wir plagen uns nicht umsonst mit Fellwechsel, Bellen und dem Wegräumen von Hundekot auf unseren Spaziergängen.
Und schauen Sie einmal, was wir für Hunde getan haben. Canis lupus familiaris, der Haushund, ist heute eines der erfolgreichsten Säugetiere der Welt, weil er seine Flagge neben der unseren gehisst hat. Schätzungsweise gibt es etwa vierhundert Millionen Hunde auf der Welt. Viele amerikanische Hunde ernähren sich von BioKost, gehen zu Hunde-Chiropraktikern und Hunde-Tagesstätten und zerkauen jedes Jahr Millionen Dollar in Form von Spielzeugen. Das nenne ich doch eine erfolgreiche Spezies.
Aber wir haben auch unsere Unterschiede. Wir Menschen wälzen uns nicht genüsslich in Kuhfladen. Auch essen wir, zumindest größtenteils, nicht die Plazenta unserer Neugeborenen auf. Gottseidank begrüßen wir einander nicht, indem wir uns an den Hinterteilen beschnüffeln. Während Hunde in einer Welt von Gerüchen leben, sind wir chemische Analphabeten. Zum Teil sind diese Unterschiede schuld, dass Hunde und Menschen sich so oft missverstehen. Die Auswirkungen dieser Missverständnisse reichen von leichter Irritation bis zur Lebensbedrohung. Manche sind darin
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