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Das Archiv

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Titel: Das Archiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frank
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Journalisten hatten den Zusammenhang zum »Agentenmord in der Postgasse« herausgefunden und schrieben, daß Selbstmord oftmals letztes Schicksal von Geheimdienstlern sei. Zu Recht. Die Selbstmordvision stütze sich auf eindeutige Ermittlungsergebnisse der Polizei. Aber eine Selbstverbrennung sei es nicht gewesen. Der fünfzigjährige Wilhelm Weiss habe sich mit einer Pistole erschossen, vorher aber wahrscheinlich durch eine brennende Kerze in einem Benzinbehälter sozusagen sein eigenes Krematorium vorbereitet. Dies geschehe häufig und insbesondere bei Alkoholikern oder sonst gestörten Menschen. »Erweiterter Selbstmord« ist die Fachbezeichnung in der Kriminologie. Christa füllte die Gläser ihrer Gäste, schrieb Rechnungen und dachte über die Geschichten eines griechischen Gottes namens Pan nach, der Flöte spielte, wovor sich alle fürchteten. Er war also sicher damals schon verrückt gewesen, ihr Bill. Irgendwie war sie froh, mit der ganzen Sache nichts zu tun zu haben, schließlich war Bill in den letzten zwei Wochen nicht mehr gekommen. Es hätte schlimmer ausgehen können, das hätte ihr gerade noch gefehlt.
    Dann ging die Türe auf, und neue Gäste kamen, sechs oder sieben Männer, alle schon sehr gut aufgelegt, unter ihnen Walter, der sehr verheiratete Ingenieur Walter Hahn von der Magistratsabteilung. Er war schon lange nicht mehr dagewesen und zwinkerte ihr vergnügt zu. Christa erwiderte sein Augenzwinkern.
    Als Zwinker-Erich vom Selbstmord seines Schulfreundes in der Zeitung las, nahm er seine Brille ab und putzte sie mit seiner Krawatte. Ja, Professor Dr. Dr. Kilian trug jetzt Krawatten. Er war auch sonst gut gekleidet, fast elegant. Eigentlich paßte er damit gar nicht mehr in das miese Kaffeehaus des Artur Loschek im dritten Wiener Gemeindebezirk. Als die Brille sauber war, las der Professor weiter in den Zeitungen, er zwinkerte noch mehr als sonst. Willi Weiss ein Selbstmörder! Das konnte doch nicht wahr sein. Aber hier stand es in den Zeitungen und auch, daß die Polizei die Untersuchung abgeschlossen habe, kein Fremdverschulden vorliege und Abschiedsbriefe gefunden worden seien. Die Staatsanwaltschaft hatte die Leiche freigegeben. Genauer gesagt, das, was von Willi Weiss noch übriggeblieben war. Professor Kilian las alle Artikel über den Selbstmord. In einer Zeitung war ein Bild der abgebrannten Hütte. Man sah gar nichts außer einem schwarzen Fleck. Ein paar Beamte standen herum, gebückt, als suchten sie etwas. Im Hintergrund ein Feuerwehrauto. Wenn er pünktlich gewesen wäre, wie Willi das gewollt hatte, vielleicht wäre es zu dieser Tragödie nicht gekommen. Aber er war schon kurz nach drei Uhr dort gewesen. Er war neugierig und ungeduldig, und zu seiner großen Freude und Erleichterung lag das Notizbuch am vereinbarten Platz auf dem Tisch. Erich hatte es eingesteckt, sich kurz umgesehen und war dann zur Straßenbahn gegangen. Um achtzehn Uhr saß er bereits im »Grünen Papagei«.
    Wenn er nun Willi Weiss um achtzehn Uhr in der Hütte getroffen hätte, vielleicht wäre alles anders gekommen. Vielleicht wollte Willi mit ihm reden? Er hatte doch sonst auch keinen Menschen hier. Wem zum Teufel hatte er die Abschiedsbriefe geschrieben? Zwinker-Erich fühlte sich irgendwie schuldig.
    Die fünfzigtausend Schilling waren fast verbraucht, und er mußte sich überlegen, wie er das nächste »Geschäft« organisieren konnte. Er mußte geschickt vorgehen. Aber ganz anders als das letzte Mal. Das System nicht zu wechseln, wäre ein Fehler. Er dachte an den »Grünen Papagei«. Dort war er jetzt fast täglich und gewissermaßen im Heimvorteil. Ein »toter Briefkasten« in der Herrentoilette, so ein Versteck beispielsweise hinter dem Wasserbehälter, könnte den Zweck erfüllen. Oder eine lose Kachel in der Wand. Es gab einige wackelige Kacheln, er erinnerte sich. Sie machten leise »klick«, wenn man sich dagegenlehnte oder leicht schwankend an die Wand stieß. Ein paar waren schon herausgefallen. Man könnte mit einem Schraubenzieher nachhelfen und hinter einer solchen Kachel einen netten kleinen Hohlraum installieren. Der Gedanke gefiel ihm. Dem Oberst Wolkow brauchte er nur etwa zu schreiben: Herrentoilette »Grüner Papagei«, rechte Wand, siebente Kachel von oben, dritte von links. Dort könnte er das Material deponieren und auch das Geld abholen. Die Idee gefiel ihm immer besser. Es schien ihm ohne Risiko zu sein. Jedes neue Gesicht im »Papagei« würde ihm sofort auffallen. Und er hatte

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