Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
einen Murgo-Adligen schrieb das grundlegende Muster der murgosischen Gesellschaft für alle Zeiten fest. Die bei den Nyissanern in Erfahrung gebrachten Informationen lenkten die Aufmerksamkeit der Murgos auf die Länder und Völker des Südens, und im Zuge ihrer Suche nach einer ununterbrochenen Nahrungsmittelversorgung begannen sie umgehend mit der Eroberung dieses Landstrichs.
Nachdem die Murgos die trostlosen Ödlande von Goska hinter sich gelassen hatten, fanden sie sich in einem fruchtbaren Land von Seen, Flüssen und Wäldern wieder. Die Ureinwohner, von den Murgos als wenig mehr denn Tiere betrachtet, wurden gewaltsam zusammengetrieben und in riesige Lager gepfercht, von wo aus sie aufgeteilt wurden, um die Felder in den neu entstehenden murgosischen Militärdistrikten zu bestellen. In typischer MurgoManier wurden die Gebiete im Süden nach militärischen Grundsätzen organisiert, und jeder Distrikt wurde von einem General kommandiert.
Eine Besonderheit des murgosischen Stammes bestand lange Zeit in einem einzigartigen Mangel an jeglichem Sinn für persönlichen Besitz – vor allem, wenn es um Land ging. Ein Murgo hat keinerlei Bezug zu der Vorstellung, persönlich ein Stück Land zu besitzen. Die im Süden eroberten Gebiete gehörten dementsprechend keinem Einzelnen, sondern dem Murgotum als Ganzem. Die oberste Treuepflicht eines Murgos gilt seinem unmittelbaren Vorgesetzten; er legt keinen Wert auf Landbesitz, da die mit dem Eigentum einhergehende Verantwortung ihn an der ungeteilten Ausübung dieser Pflicht hindern könnte. Deshalb ist Cthol Murgos in Militärdistrikte aufgeteilt, die von Armeekorps verwaltet werden. Jedes Korps (und letztendlich der Korpskommandant) hat ein bestimmtes geographisches Verantwortungsgebiet. Weiterhin ist das Land in Divisionsgebiete, Regimentsgebiete, Bataillonsgebiete und so fort unterteilt. Einzelne Murgo-Soldaten fungieren hauptsächlich als Aufseher und Sklaventreiber. Murgosische Bevölkerungszentren gleichen daher eher Militärlagern als Städten. Die Wohnungen werden den einzelnen Soldaten ihrem Rang entsprechend zugewiesen. Wenn eine solche Gesellschaft auch Westlern und Malloreanern zugleich abstoßend erscheint, so muß man dennoch die Zähigkeit und Selbstaufopferung der Murgos bewundern, die eine solche Gesellschaft erst funktionieren lassen.
Da eines der höchsten Erfordernisse einer Adelskaste die Bewahrung der Blutlinie ist, und da die Murgos buchstäblich in einem Meer von Sklaven leben, erzwingt die murgosische Gesellschaft eine äußerst strenge Trennung zwischen Sklave und Herrn. Insbesondere Murgo-Frauen werden völlig von jedem Kontakt mit Nicht-Angarakanern abgeschottet, und diese Obsession hinsichtlich der Reinheit der Rasse hat sie im wahrsten Sinne des Wortes zu Gefangenen gemacht, indem sie ausschließlich auf die Frauenquartiere im Zentrum eines jeden murgosischen Haushalts beschränkt bleiben. Jede Murgo-Frau, die auch nur im Verdacht steht, mit einem Nicht-Murgo zu verkehren, wird sofort getötet. Darüber hinaus erleidet jeder männliche Murgo, der in einer kompromittierenden Situation mit einer fremden Frau angetroffen wird, ungeachtet seines Ranges dasselbe Schicksal. Da diese Gesetze seit dem Ende des zweiten Jahrtausends in Kraft sind, haben sie für ein bemerkenswert reines Blut gesorgt. Der Murgo ist heutzutage vermutlich der einzige reine Angarakaner auf dem Antlitz der Welt. Mit der Zeit wurde diese übertriebene Sorge um rassische Reinheit bei den Murgos zu einer Art quasi-religiöser Verpflichtung, und in der westlichen Hemisphäre wurde nie der Versuch unternommen, Nicht-Angarakaner zu bekehren, wie es in Mallorea zur Regel wurde.
Es war vielleicht der Jünger Ctuchik, der letztendlich dafür verantwortlich zeichnet, daß dieses alles beherrschende Rassenvorurteil die Kraft eines religiösen Gebots erhielt. Ctuchik, eingedenk des Rückgangs der Kirchenmacht in Mallorea infolge der zunehmenden Verweltlichung und Kosmopolitisierung der malloreanischen Gesellschaft, verkündete seine Statuten zu dem Thema von seiner theologischen Hauptstadt Rak Cthol in der Öde von Murgos aus. Er argumentierte (vermutlich zu Recht), daß eine Gesellschaft mit dem zugleich rechtlichen und religiösen Gebot, jeglichen Kontakt mit Fremden zu vermeiden, am ehesten gegen jene neuen Ideen gefeit war, welche die Autorität der Kirche so gefährlich untergraben. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, daß Ctuchiks Dekrete in gewissem Umfang von der wachsenden
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