Der schwarze Regen
1
Es war kalt an jenem Morgen in Nuraiò, der graue niedrige Himmel sandte einen schweren heftigen Regen herab, und ein eisiger Wind blies aus Norden, ein wirklicher Winterwind, wie man ihn in diesem Land sommerlicher Hitze und Trockenheit kaum kennt, das Wasser schlug heftig gegen die Scheiben, auf den Asphalt, die Löcher, die Gehsteige, die Erde hatte sich innerhalb weniger Stunden vollgesogen, dieser eisige Regen wurde allmählich zu viel.
Marta war früh aufgestanden, sie war nicht in die Schule gegangen, sie hatte keinen Unterricht, Dienstag war ihr freier Tag, freier Tag und Markttag, Einkaufstag für die Frauen von Nuraiò, nicht für sie, die in den breiten Straßen der Stadt einkaufte, sie würde den Vormittag nicht zwischen Kisten mit Obst, Schuhen, Käse, zwischen den dicken Matronen des Dorfs verbringen, mit ihren bunten Schals und Jeans, dunkle Eichen mit misstrauischen Augen.
Da sind sie ja, unsere Damen, die letzten der Nation, die sich einen Teufel um Cremes und Diäten scheren, die damit prahlen, dass sie viel essen, die an die Bedeutsamkeit dicker Hüften glauben, die die Schönheit misstrauisch beäugen, sich dickköpfig weigern, jung zu heiraten, sich zu Sklaven der Ehemänner zu machen und später der Kinder und Mütter und Schwiegermütter – Marta Deiana war an diesem Morgen schlechter Laune, das schlechte Wetter und Kopfschmerzen hatten sie früh geweckt, sie betrachtete die Hände, die sich auf den Ladentischen hin und her bewegten, das Geld, das aus alten, auf die Röcke gepressten Taschen geholt wurde – Die letzten Frauen der Nation, die keine Träume hatten, nicht einmal jene der Telenovelas, nicht einmal falsche Träume, nicht einmal Träume davon, sich von einem Fernfahrer-Prinzen oder wem auch immer entführen zu lassen, kein Traum, keine Diät, Frauen von Nuraiò, möge der Himmel euch gnädig sein, möge das Paradies wirklich dort sein und euch nicht auch noch das genommen werden.
Solche Gedanken hatte Marta Deiana an diesem Morgen. Aber vielleicht übertreibe ich ja, sagte sie sich, Vielleicht sind sie ja nicht wirklich so, die Frauen von Nuraiò, zumindest nicht alle: Die eine oder andere hat vielleicht wirklich Träume, nur tötet sie sie jeden Morgen, wie es ihr beigebracht worden ist, und begnügt sich damit, ihnen nachts wiederzubegegnen, vor dem Einschlafen – und sie dachte an sich selbst, an ihre übertriebenen Träume, daran, wie oft sie sie betrogen hatten, sie fühlte sich müde und besiegt von der Kälte, von der Dunkelheit des Himmels, Der Himmel, dachte sie, Eure Kraft und eure Reserve, die Rosenkränze und die Herzen Jesu, unsere Liebe Frau der Vorsehung, Jungfrau des Verzeihens, unsere Liebe Frau der Beständigkeit und der Eintracht, welcher Macht vertraut ihr euch an, um nicht vor Langeweile zu sterben, meine Damen, um nicht physisch vor Langeweile zu sterben, wie viel Energie schenken euch eure schwarzen Rosenkränze?
Die Stirn an die Scheibe gepresst, ein halb unterdrücktes Gähnen auf dem Mund, fragte sich Marta Deiana, was diese Frauen wohl Tag für Tag antreiben mochte, denn sie fühlte sich, wenn es hell wurde, verloren, wie tot, erledigt.
Liebe, nein, Liebe kennen sie nicht, sagte sie sich, aber dann lächelte sie, nannte sich eine dumme Gans, auch sie hatten bestimmt Liebschaften, wie alle, nur versteckter und verschwiegener als ihre, normaler, kam es ihr in den Sinn. Genau das ist das Problem: normale Liebesbeziehungen zu haben, und normale Leidenschaften und ein normales Leben, und in Nuraiò bist du willkommen und beliebt, und sie dachte an ihre Liebesbeziehungen und lächelte erneut und warf der Straße einen Kuss zu, ihrem jungen Geliebten, den sie heute Abend sehen würde.
2
Maresciallo, rief Meloni aus dem anderen Zimmer, wie wollen Sie Ihre Hörnchen, mit Sahne?
Ja, antwortete Crissanti, er schaltete den alten Computer aus, nahm das Buch, öffnete es, suchte die Markierung, so besonders war er nicht, dieser Krimi: die Empfehlung einer Hochglanzzeitschrift eines brillanten Journalisten, durch den er vor Jahren die Ironie eines katalanischen Detektivs entdeckt hatte, aber seit einiger Zeit waren die guten Empfehlungen selten geworden, meist waren es mittelmäßige Bücher, solche, die in den Literaturspalten erwähnt wurden, erbauliche Geschichten für Vierzigjährige ohne Glaube, Utopie, Träume, die sich in die Bewunderung für die Ordnungskräfte geflüchtet hatten, Geschichten, die ab einem bestimmten Punkt immer schlecht
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