Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
das Dritte Zeitalter geendet war und das Vierte begonnen hatte. Doch rechtzeitig kehrte unser Verwandter aus dem Norden zurück und berichtete uns, was er im Hause des Torak gesehen hatte, und da verstanden wir: Torak war nicht der Gipfel der Bestimmung, die ihn beherrschte, und wir mußten unsere Suche nach dem Gott, der eines Tages zu uns kommen würde, fortsetzen. Doch hatte die Seherin Onatel uns eröffnet, wir besäßen alles, was wir für die Wahl benötigten. Wie aber konnten wir zwischen Göttern wählen, die noch gar nicht zu uns gekommen waren? Gewiß hatten wir irgendwo eine Kunde erhalten, die wir übersehen hatten, irgendein Zeichen bekommen, das uns entgangen war. Und so versammelten wir uns auf der Ebene von Kell, um all das zu betrachten, was wir gelernt hatten.
Und mit der Zeit verzweifelten wir, denn wir fanden keine Gewißheit in allem, was wir zusammengetragen hatten – keine Wahrheit, die sich uns auftat, konnte uns zweifelsfrei als Richtschnur dienen. Und erneut kam die Seherin Onatel zu uns und sprach:
»Sehet! Ich will euch ein Geheimnis anvertrauen. Die Wahl wird von einem von euch getroffen werden – nicht von allen. Und die Wahl zwischen den beiden Bestimmungen wird nicht in Weisheit geschehen, sondern in Verzweiflung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden die beiden Bestimmungen einander gegenübertreten, und einer von euch wird am Ende schauen, was noch keiner geschaut hat, und dieser eine wird wählen.« Und mit diesen Worten verließ Onatel uns. Und wir folgerten, daß die Bestimmungen sich bei einem der großen EREIGNISSE begegnen müßten, die in gewaltigen Lettern im Buch des Himmels geschrieben standen, und wir bereisten die Welt, um bei diesen EREIGNISSEN zugegen zu sein. Einer aus unseren Reihen war zugegen, als der rivanische König ermordet wurde, doch bei diesem EREIGNIS war keine Wahl zu treffen. Und einer von uns war dabei, als Torak seine Streitmacht gegen den Westen in Marsch setzte. Und einer von uns war zur Stelle, als der entstellte Torak sich vor Vo Mimbre dem Wächter von Riva zum Zweikampf stellte und durch die Macht des Orb niedergestreckt wurde. Und einer von uns weilte in dem schlichten Dorf, wo Belgarion geboren wurde, und er war nicht weit von dem brennenden Haus, in dem die Eltern des Gottbezwingers ihr Leben ließen. Wir waren in Riva, als Belgarion der Orb übergeben wurde, und einen kurzen Moment waren wir nahe daran, die Wahl zu treffen, doch wir zögerten einen Augenblick, und das EREIGNIS entglitt uns. Und schließlich kamen wir zum verfluchten Cthol Mishrak inmitten des verseuchten Beckens, in dem es liegt, und erneut entglitt uns der Augenblick. Denn wisset, das EREIGNIS an diesem Ort war nicht der Tod Toraks durch Belgarions Hand; es trat vielmehr in jenem flüchtigen Augenblick ein, als Polgara den Gott Angaraks verhöhnte und abwies. Und als Torak fiel und die ganze Schöpfung schaudernd den Atem anhielt, fürchteten wir, es möchte nie wieder Licht werden. Das EREIGNIS hatte stattgefunden, und wir hatten nicht gewählt, und wir hatten stets geglaubt, daß in diesem Augenblicke alles vernichtet werde.
Und zutiefst erschüttert und furchtsam verließen wir Cthol Mishrak. War unser Versäumnis, zu wählen, tatsächlich die Wahl zwischen GUT und BÖSE gewesen? Wir wußten es nicht, und voller Angst beobachteten wir das Buch des Himmels nach irgendeinem neuen und schrecklichen Zeichen.
Und schließlich kam der Seher Gazad zu uns, und seine Miene war streng und zornig, und er tadelte uns und sprach:
»Sehet! Ihr habt versagt bei der Aufgabe, die Onatel euch zugewiesen hat. Die ganze Schöpfung ist besudelt durch euer Scheitern. Eure Aufgabe bleibt bestehen. Wählet! Versagt nicht noch einmal, denn bei eurem nächsten Versäumnis wird alles, was ist oder war oder sein wird, untergehen, und die Schöpfung wird nicht mehr sein.« Und die Worte Gazads geißelten uns und trieben uns zu vermehrten Anstrengungen, die Aufgabe zu erfüllen, bei deren Erfüllung wir im letzten Zeitalter so versagt hatten. Und so mühten wir uns noch inständiger, jenen anderen Stein zu finden, der das Gegenstück zum Orb Aldurs war, doch die Bestimmung, deren Herz dieser Stein bildet, unternahm alles, den Stein vor uns und vor allen Menschen und Göttern zu verbergen. Keiner von uns war mächtig genug, um die Schranken des Verstandes und des Geistes zu durchbrechen, mit denen die Bestimmung ihr Geheimnis schützte, und schließlich beschlossen wir, einen gefährlichen Weg
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