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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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schenkte Ali das kühle, frische Wasser in einen Becher. »Allerdings haben sich im Laufe des Tages zwei Reisende vor Eurer Tür eingefunden. Obwohl ich ihnen sagte, dass Ihr nicht zu Hause seid, haben sie sich nicht abwimmeln lassen und er räusperte sich, »nun ja, die beiden haben sehr be stimmt Einlass begehrt. Sie sagten, sie seien gute Bekannte von Euch, Herr.«
    Ali runzelte die Stirn. »Bekannte?«, fragte er misstrauisch. »Wer waren die beiden? Du hast sie doch hoffentlich wieder fortgeschickt?«
    Mahmud senkte verlegen den Kopf. Sein Gesicht überzog sich mit flammender Röte. Und noch bevor er den Mund aufmachte, wusste Ali, dass sein Diener die beiden Fremden ins Haus gelassen hatte. Natürlich.
    »Ihre Namen haben sie mir nicht genannt, Herr«, sagte er leise. »Es sind ein Mann und ein kleines Mädchen. Leider muss ich gestehen, dass ich schließlich ihrem Drängen nachgegeben und sie eingelassen habe. Ich konnte doch nicht die Wahrheit ihrer Behauptung anzweifeln.«
    »O Mahmud!«, stöhnte Ali und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Wie konnte ein Diener nur so ungeschickt und dumm sein? Er zweifelte nicht daran, dass Selim Mittel und Wege gefunden hätte, die beiden loszuwerden. »Bist du nicht recht gescheit? Ich habe keine Bekannte, die ohne vorher einen Boten zu schicken und sich anzumelden an meine Haustür klopfen. Ich vermute viel eher, dass du auf Schwindler hereingefallen bist. Wahrscheinlich handelt es sich um Patienten, die sich auf diese hinterhältige Art Zugang zu meinem Haus und meiner Hilfe verschaffen wollten. Wann sind sie wieder gegangen?« Die Schamesröte auf Mahmuds Gesicht wurde noch dunkler, so dunkel, dass seine Haut beinahe die Farbe eines reifen Granatapfels annahm. Ali biss vor Wut die Zähne zusammen. Die beiden Fremden waren also immer noch in seinem Haus. »Also gut. Wo hast du sie untergebracht?«
    »Im Besucherzimmer, Herr«, stammelte der Diener und senkte den Kopf.
    »Dann werde ich sie eben persönlich wieder vertreiben«, zischte Ali und riss eine Öllampe an sich. »Dieses Gesindel soll nicht einen Augenblick länger den Schutz meines Hauses genießen.«
    Er war außer sich. Er brachte viel Verständnis für die Not und die Leiden seiner Patienten auf, für ihre Familien und Angehörigen, die vor Angst und Kummer oft selber schon fast krank wurden. Doch mit hinterhältigen Lügen seinen Diener zu überlisten, sich den Zugang zu seinem Haus zu erschleichen und ihm auf diese Weise seine Hilfe abpressen zu wollen, das ging einfach zu weit. Wenn sich dieses abscheuliche, niederträchtige Verhalten herumsprach, würde er innerhalb weniger Tage in seinem eigenen Haus kein Bett mehr zum Schlafen finden. Dann konnte er ja gleich dieses Gebäude in ein Siechenhaus verwandeln.
    Ali stürmte zum Besucherzimmer. Er war gerade in der richtigen Stimmung, jemanden anzuschreien. Trotzdem blieb er erst einmal stehen und lauschte an der Tür. Im Innern schien sich nichts zu bewegen, alles war still. Langsam und vorsichtig öffnete Ali die Tür, hielt die Lampe durch den Spalt und spähte hinein.
    Auf den zu einem Bett zusammengeschobenen Strohsäcken lag, eingewickelt in ein paar Decken, ein Kind. Wahrscheinlich war es das Mädchen, von dem Mahmud ihm berichtet hatte. Es drehte ihm den Rücken zu, doch an den gleichmäßigen Atembewegungen des kleinen Körpers erkannte Ali, dass es tief und fest schlief. Neben ihm hockte ein Mann in Reisekleidung. Er hatte den Kopf gegen die Wand gelehnt, sein Gesieht tief in den Falten seines weiten Umhangs verborgen, und schien ebenfalls fest zu schlafen.
    Wenigstens sind die beiden wohl keine Diebe, dachte Ali. Er drückte Mahmud die Lampe in die Hand und trat in das Zimmer. Auf Zehenspitzen näherte er sich dem Mann. Vorsichtig streckte er seine Hand aus, um den Umhang fortzuziehen und das Gesicht des Mannes zu betrachten. Doch dazu kam er nicht.
    Ali hatte kaum die Kleidung des Mannes berührt, als er sich schon im nächsten Augenblick keuchend und am ganzen Körper zitternd am anderen Ende des Zimmers gegen die Wand gepresst wiederfand. Jemand, wahrscheinlich Mahmud, stieß einen heiseren Schrei aus. Im selben Moment ließ die berauschende Wirkung des Dattelschnapses nach. Ali hatte plötzlich Angst. Und während sich etwas Kaltes, erschreckend Scharfes gegen seinen Hals drückte, sodass er kaum zu atmen wagte und die Augen fest geschlossen hielt, fragte er sich, weshalb er sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte. Ebenso gut hätte

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