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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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der ihm das beibringen konnte? Er hörte das rothaarige Mädchen Befehle erteilen. Ein Bad, aber schön heiß. Landens schmutzige, blutverkrustete Haut schrie nach Wasser. Seine Hände zitterten, so sehr er auch versuchte, sie unter Kontrolle zu halten. Das Mädchen kam zurück.
    „Euer Bad wird gleich bereitet sein", sagte sie und in ihrer königlichen Stimme schwang Freundlichkeit. Er nickte, traute sich aber nicht zu antworten, weil er sich seiner Schwäche schämte. „Ich heiße Torina", ermutigte sie ihn. Er murmelte ihren Namen. Die Erschöpfung lähmte ihm Körper und Geist. Er sollte sich bedanken: weil sie ihn aus der Sklaverei befreit hatte, weil sie so gütig war ihn zu pflegen. Doch er brachte kein Wort heraus. Er sah sich die Einrichtung an. Alles war prunkvoll, überlegt platziert und sehr gepflegt. Er befand sich im Schloss des mächtigsten Königs dieser Welt, wenn man den Soldaten Glauben schenken durfte. Wie hatte Kareed so viel Reichtum und Einfluss gewonnen? Nicht
    durch Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Nicht durch Mitgefühl.
    Wie war es möglich, dass sein Vater, der weise König Veldon, ein gefeierter Poet, ein großherziger, aufrichtiger Mann, von einem brutalen Angreifer wie Kareed besiegt werden konnte? Wie war es möglich, dass die Gerechtigkeit vertrieben, der Friede vernichtet werden konnte? Was war fehlgeschlagen in Bellandra? Landen biss sich auf die bebenden Lippen, als er sich die Antworten auf seine Fragen gab. Veldon war ein guter Mensch, aber kein guter Krieger. Er wusste nicht zu kämpfen, glaubte nicht, jemals kämpfen zu müssen. Kareed hat gesiegt, weil er der bessere Krieger war.
    Dieser Gedanke behagte Landen nicht. Trotzdem wusste er, dass es die Wahrheit war. In der Kammer, wo das Schwert aufbewahrt war, war es Kareed, der es verstanden hatte, die Waffe zu ergreifen. Mit Macht und Freude hatte er sie ergriffen, ohne Zaudern, während Landen gezögert und kostbare Sekunden verloren hatte. Wenn er jetzt flöhe, hätte er keine Möglichkeit herauszufinden, warum dieser König jeden Kriegszug gewann. Wenn er jetzt flöhe, würde er Kareed gewissermaßen das Schwert erneut überlassen. Nein, er durfte nicht fliehen. Er musste bleiben und alles lernen, was es zu lernen gab. Kareed hatte versprochen, ihn in der Kriegskunst unterrichten zu lassen. Kareed mochte ein grausamer Eroberer sein, auf sein Wort aber, hieß es, sei Verlass.
    Ich setzte auf Euer Versprechen, König Kareed. Und eines Tages werde ich mir das Schwert nehmen. Und dann werde ich wissen es zu führen.
    Es klopfte. Eine stattliche Frau betrat den Raum. Torina nahm Landen an die Hand wie ein kleines Kind und er ließ sich von ihr führen. Sie folgten der Frau durch einen Gang und kamen in ein vornehmes Badezimmer. Der Junge badete ausgiebig und ohne Scheu. Fast weinte er vor Dankbarkeit über das heiße Wasser und die luxuriöse Seife. Vor Müdigkeit hatte er kaum noch die Kraft, sich trocken zu reiben und in die Kleider zu schlüpfen, die Torina ihm vorsorglich hingelegt hatte. Raue Arbeitskleidung, die ihm viel zu groß war. Seine zerrissene, verschmutzte Kleidung aus Bellandra war verschwunden.
    Sie brachte ihn in das andere Zimmer zurück und ließ Speisen und Wasser herbeibringen. Schweigend beobachtete sie ihn beim Essen und Trinken. Das Bad und sein Entschluss in Archeld zu bleiben, hatten seine Ängste fortgespült. Er fühlte sich froh. Als Torina hinausging, um weiter Speisen herbeizuschaffen, fühlte er, wie der Schlaf ihn übermannte. Halb im Traum gewahrte er ihre Rückkehr. Unsicher, ob er sich das nur einbildete, spürte er im Schlaf ihre feinen Finger, die zart die Züge seines Gesichts nachzeichneten.

 
2. Kapitel
     
    Tief im Innern des Schlosses von Archeld befand sich eine uralte Tür, die unsichtbar in eine steinerne Wand eingepasst war. Kareed, der ein Licht in der Hand trug, steckte einen Schlüssel in ein Schlüsselloch. Neben ihm stand Vesputo und hielt eine längliche Holzkiste im Arm.
    Krächzend öffnete sich die alte Tür. Dumpfe, abgestandene Luft schlug ihnen aus dem versteckten Gewölbe entgegen. Auf dem von mächtigen Mauern begrenzten, einfachen Lehmboden lagen lediglich ein paar mit staubigen Tüchern bedeckte Haufen. In der Mitte des Raums stand ein großer, glänzender, spitz zulaufender Behälter. Zu diesem beugte sich Kareed, um ihn zu öffnen. Kareed nahm Vesputo die längliche Kiste ab, stellte sie auf den Boden, hob den Deckel hoch und enthüllte das Schwert von

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