Das Auge der Seherin
andermal, Mama." „Der Oberkönig ist ein tapferer Mann", murmelte Dreea. „Einfach mitten in die Soldaten zu reiten, wo er doch annehmen musste, dass alle Vesputo treu ergeben waren."
Ja. Das war wirklich tapfer. Und es war ganz nach seiner Art."
„Gestern habe ich mit ihm gesprochen, als du dein Wiedersehen mit Landen feiertest. Wir haben beschlossen, Emid den Oberbefehl über die Armee von Archeld zu geben."
„Emid! Eine weise Entscheidung, Mama." „In Zeiten der Not zeigt sich der wahrhaft Tapfere. Emid ist einer von ihnen. Er ist der vertrauenswürdigste Mann, den wir haben. Außerdem hat er fast alle Hauptleute ausgebildet und wird von allen geachtet. Ich hoffe nur, er ist einverstanden - nach zwanzig Jahren als Ausbilder von Jungen ist es etwas ganz anderes, Männer zu befehligen."
Emid nahm in der ersten Reihe im großen Festsaal des Schlosses von Archeld Platz. Der gebohnerte Boden spiegelte die vielen festlich gekleideten Menschen wider. Prachtvolle Blumensträuße standen in großen Vasen. Die langen Wände waren mit Girlanden geschmückt.
Neben Emid saß Landen. Seine dunklen Locken waren gekämmt. Er saß entspannt da und lächelte. Die Mitglieder seiner berühmten Bande waren gewaschen und herausgeputzt und saßen mit unbehaglichen Gesichtern neben ihm.
Königin Dreea und der Oberkönig thronten am Kopfende des Saals.
Durch die Mitte des Saals schritt nun eine junge Frau in einem sanftgrünen Kleid. Ihr dickes, rotes Haar war wie eine Krone um ihren Kopf geflochten und mit Blumen besteckt. Emid stiegen die Tränen in die Augen. Kein Schleier dieses Mal, keine Heimlichkeiten. Dies hier war wirklich und wahrhaftig seine Prinzessin, sprühend, wie er sie kannte. Als sie an ihm vorüberging, lächelte sie ihm zu.
Sie kniete vor König Dahmis nieder. Dieser stand auf und setzte ihr eine kostbare Krone aufs Haupt. Torina erhob sich voller Anmut und der König fasste sie bei den Händen.
Seine Worte füllten den ganzen Raum. „Der heutige Tag soll euch wiedergeben, was ihr längst verloren glaubtet! Eure Prinzessin ist wieder da!"
Emid stimmte mit aller Kraft in die im ganzen Saal widerhallenden Jubelrufe ein.
Der Saal tobte. Freudenschreie, Füßestampfen und Händeklatschen. Als endlich Stille einkehrte, sprach König Dahmis:
„Es gibt noch eine andere Angelegenheit zu regeln." Die Gäste rutschten auf ihren Stühlen und sahen sich fragend an.
„Landen, bitte kommt nach vorn", rief der König rau. Landen erhob sich geschmeidig. Alle starrten gespannt nach vorn, als er die Hand des Oberkönigs ergriff. „Männer und Frauen von Archeld, hört gut zu. Ich möchte euch eine Geschichte erzählen!" Der König winkte lächelnd und die Menschen machten es sich in ihren Sitzen bequem.
„Es war einmal ein Königreich am Meer, nur ein paar Tagesreisen im Süden von Archeld. Das Königreich war klein, aber reich und sehr friedfertig." Landen, der neben Torina stand, legte seine Hände übereinander.
„Dieses Königreich hieß Bellandra und seine Könige und Königinnen besaßen seit undenklichen Zeiten ein heiliges Schwert. Nach der Sage kam dieses Schwert von einer fernen Insel im tiefen Ozean zu den Menschen von Bellandra. Von einer unauffindbaren Insel, die nur der zu Gesicht bekam, der reinen Herzens war und sich verirrt hatte.
Dem Schwert war eine große Macht zu Eigen. Die Macht des Friedens.
Es hieß, so lange das Schwert in Sicherheit sei, sei auch das Volk von Bellandra sicher. Die Menschen glaubten daran und vergaßen im Lauf der Zeit, wie man sich verteidigt, und lebten nur noch nach überlieferten Regeln. Fast zehn Jahre ist es her, dass das Schwert von Bellandra geraubt wurde und König Kareed das Land eroberte. Seitdem wurde das Schwert nie mehr benutzt." Der Oberkönig machte eine Pause. „Seit einiger Zeit ist es unter meiner Obhut. Von einem Krieger von Bellandra, einem Mann des Friedens, wurde es zurückgeholt." Der König deutete auf Landen und schwieg. Er trat hinter Dreeas Thron und zog eine seltsame Kiste in Form einer Pyramide hervor, die Emid bekannt vorkam.
Er stellte sie neben Torina.
„Landen", sprach die Prinzessin und berührte die Kiste, „dies ist dein." In ihrer Stimme schwang Glückseligkeit. „Meine Mutter und ich geben Euch Bellandra zurück. Wir entschuldigen uns und wollen Dank sagen. Entschuldigen wollen wir uns für Euer Leiden, Dank sagen dafür, dass wir Euch kennen lernen durften." Landen nahm ihre Hand und küsste sie. „Ich danke Euch", sagte
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