Das Band des Mykerinos - Band 2 (Adrian Pallmers magische Abenteuer) (German Edition)
dass er richtig gezählt hatte, war ihm nicht so recht wohl bei dem Gedanken, einen Schritt in den Abgrund zu machen. Am meisten wunderte er sich aber über sich selbst, dass er kaum Probleme mit der Höhe gehabt hatte. Vorsichtig und mit geschlossenen Augen setzte er seinen Fuß in die Leere des Abgrundes. In seinen Gedanken stellte er sich dabei vor, einen realen Raum mit einem festen Fußboden zu betreten. Und tatsächlich verspürte er auch einen Widerstand unter seinem Schuh. Auch mit dem zweiten Fuß fand er festen Grund. Vorsichtig öffnete Adrian seine Augen einen winzigen Spalt. Da war nichts. Gar nichts! Er stand frei im Nichts. Unter ihm war ein fast endloser Abgrund, dessen Boden kaum noch zu erkennen war. Vor Scheck wurden seine Knie weich wie Gummi und nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten.
Magnus trat neben ihn auf den unsichtbaren Boden und legte ihm seinen Arm auf die Schultern. Ein helles Licht schloss die Beiden ein und im nächsten Moment fanden sie sich in einem bequem eingerichteten Raum wieder. Mehrere dick gepolsterte, helle Ledersessel mit hohen Lehnen standen um einen massiven Tisch aus weißem Marmor. An den hohen Wänden mit dunkler Textiltapete hingen unzählige Bilder mit Zauberern und Zauberinnen dicht an dicht in mehreren Reihen bis knapp unter die kunstvoll verschnörkelte Stuckdecke. Die räumlich wirkenden Gesichter blickten alle in die Richtung von Adrian, der sich erst einmal staunend umsehen musste und plötzlich wie versteinert stehen blieb und gebannt auf ein ganz besonderes Bild starrte. Seine Augen hatten das Bild seines Großvaters gefunden, das er aus dem Buch über die Geschichte des Ordens von Arlon bereits kannte.
»Das waren alles Magister des Ordens von Arlon?«, fragte er neugierig, ohne den Blick vom Bild seines Großvaters zu lösen.
»Herzlich willkommen im Memorium der Magister von Arlon! Es ist schön, dich endlich wiederzusehen! Geht es dir gut?«, wurde Adrian von Swør Larsen herzlich begrüßt, der in einem der bequemen Sessel Platz genommen hatte. Neben ihm saßen noch zwei andere Magister.
»Äh ... ja ... Ich freue mich auch!«, antworte er und drehte sich schnell zu dem riesigen Zauberer um.
»Es ist sehr beeindruckend gewesen, mit welcher Entschlossenheit du dich der Treppe gestellt hast. Du hast erneut gezeigt, dass dein Wille stärker ist als deine Furcht. Ganz prima! Aber du solltest dir künftig etwas mehr Zeit nehmen, um nachzudenken. Bei so vielen Stufen kann man sich leicht einmal verzählen. Mit einem kleinen Abzählzauber wäre es vielleicht sicherer gewesen. Aber wie auch immer, du hast es gut gemeistert! Nimm bitte Platz, wir erwarten noch einen weiteren Gast.«
Adrian setzte sich in einen der Sessel und streifte mit seinen Augen weiter über die vielen Bilder der früheren Magister. Das mussten Hunderte gewesen sein. Besonders interessant waren die Bilder in den oberen Reihen. Die Gemälde zeigten Zauberer in sehr eigenartiger Kleidung. Die mussten vor Hunderten, wenn nicht sogar vor Tausenden Jahren gelebt haben. Und trotzdem schauten ihn die Gesichter so real an, als würden sie schon im nächsten Moment wieder lebendig werden, auch wenn sie jetzt starr und unbewegt waren. Noch in Gedanken versunken, hatte Adrian den jungen Mann gar nicht mitbekommen, der mit Mboa Wilson Ubugma, einem der Magister, ebenfalls den Raum betreten hatte.
Er mochte vielleicht zehn Jahre älter sein als Adrian und war sehr schlank und einen halben Kopf größer. Den Gesichtszügen und seiner Hautfarbe nach zu urteilen, stammte er irgendwo aus Mittel- oder Südamerika. Sein langes, glattes, schwarzes Haar hing ihm bis auf die Schultern herab. Um die Stirn trug er ein dünnes Lederband, das seine Haare zusammenhielt. Seine komplette Kleidung schien aus weichem Wildleder gemacht zu sein. Über seinen Schultern hing eine Decke, die aus einem recht groben, schimmernden Stoff gefertigt und die über und über mit einem sich wiederholenden Muster bestickt war. Um seinen Hals trug er eine Kette aus Bärenkrallen und einigen großen, weißen Zähnen.
Sein etwas kantiges Gesicht strahlte trotz seiner markanten Züge noch immer etwas Jugendliches aus. Die fast schwarzen Augen zuckten außerordentlich schnell hin und her, als ob er alles zur gleichen Zeit beobachten wollte. Obwohl der junge Mann noch immer recht tief atmete - auch er hatte ganz offensichtlich gerade die Endlose Treppe hinter sich - versuchte er etwas zu lächeln und trat näher an den
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