Verfuehrung Auf Hoher See
PROLOG
Orion Moralis – für seine Freunde Rion – trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad seines hochtourigen Sportwagens. Athen war berüchtigt für seine Verkehrsstaus, es war also fast normal, dass er hier festsaß. Jetzt kam er zu spät zu der verflixten Dinnerparty, die er am liebsten abgesagt hätte. Nur auf Druck seines Vaters hin hatte er sich dann doch breitschlagen lassen, daran teilzunehmen.
Erst am Vorabend war er von einer zweimonatigen Geschäftsreise aus den USA zurückgekehrt. Dennoch hatte sein Vater schon morgens um acht vor seiner Tür gestanden und war aufgeregt ins Apartment gestürmt.
„Welchem Umstand verdanke ich das unerwartete Vergnügen?“, hatte Rion ihn scherzend begrüßt.
Die Antwort hatte ihn verblüfft.
„Ich habe gestern mit Mark Stakis zu Mittag gegessen. Er ist bereit, seine Firma zu einem wirklich erstaunlichen Preis zu verkaufen.“ Strahlend benannte sein Vater das Übernahmeangebot. „Was sagst du dazu? Mein Geschäftssinn hat mich also wieder einmal nicht getrogen.“
Bei seinem Vater war es schon fast zur Besessenheit geworden, die Reederei Stakis zu übernehmen. An den Verhandlungen selbst hatte Rion nicht teilgenommen, doch er wusste, dass die Firma sehr viel mehr wert war als der Preis, den Stakis jetzt dafür verlangte. Das war ja fast geschenkt! Sein Vater triumphierte. Er wollte sich im Herbst zur Ruhe setzen, und die Übernahme sollte die Krönung seines Lebenswerks werden. Das neue Angebot war jedoch so unerhört günstig, dass Rion es nicht ernst nehmen konnte.
„Und wo liegt der Haken?“, fragte er trocken.
„Na ja, Stakis stellt da zwei Bedingungen. Statt eines höheren Verkaufspreises verlangt er ein Aktienpaket der Moralis Corporation. Außerdem erwartet er, dass du seine Enkelin heiratest. Auf diese Weise will er sicherstellen, dass die Reederei, die er von seinem Vater übernommen und zur heutigen Größe aufgebaut hat, nach seinem Ableben in der Familie bleibt.“
Rion traute seinen Ohren nicht. „Stakis muss den Verstand verloren haben!“ Entsetzt schüttelte er den Kopf. „Ich denke noch lange nicht ans Heiraten, Vater. Außerdem hat der Mann gar keine Enkelin. Sein Sohn Benedict, dessen Frau und Kinder sind vor Jahren bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Hast du das vergessen?“
„Nein. Natürlich nicht. Eine Tragödie“, erwiderte sein Vater gereizt. Und dann erzählte er ihm die ganze Geschichte.
Benedict Stakis hatte ein Kind mit einer Engländerin gezeugt, während seine Frau Zwillinge erwartete. Erst nach dem Tod seines Sohnes hatte der alte Stakis von der Existenz der unehelichen Enkelin erfahren. Allem Anschein nach hatte Benedict das Schweigen der Frau erkauft, indem er über einen englischen Anwalt einen Treuhandfonds zugunsten des Kindes eingerichtet hatte. Im vergangenen September hatte Mark Stakis sich dann mit seiner Enkelin Selina Taylor getroffen. Inzwischen hatte sie das Abitur bestanden und verbrachte den Sommer bei Mark Stakis in Griechenland.
„Ich soll ein Schulmädchen heiraten?“ Erleichtert lachte Rion. „Das meinst du doch hoffentlich nicht ernst?“
„Todernst. Und komisch ist es auch nicht. Das Mädchen ist kein Kind mehr. Sie ist fast neunzehn und verbringt einige Wochen bei Stakis in seinem Stadthaus. Heute Abend gibt er eine Party, um sie in die Gesellschaft einzuführen. Wir sind auch eingeladen, und du solltest hingehen, um sie kennenzulernen und zu sehen, was du von ihr hältst.“
„Nein. Kommt nicht infrage.“
„Sieh dir Selina doch wenigstens an. Das Angebot ist einfach zu gut, um es abzulehnen.“
Bisher hatte Rion sich beharrlich dagegen gewehrt zu heiraten. Daraufhin war sein Vater auf einige von Rions Exfreundinnen und einen Zusammenstoß zu sprechen gekommen, der sich kürzlich vor einem Nachtclub abgespielt hatte. In einem Boulevardblatt waren Fotos von Rion erschienen, der wegen einer flatterhaften Verheirateten heftig mit einigen Paparazzi aneinandergeraten war. Sein Vater hatte ihn daraufhin scharf zur Rede gestellt und ihm nahegelegt, sich endlich eine anständige Frau zu suchen statt der fragwürdigen Damen, für die er eine Vorliebe zu haben schien.
Dann hatte er angedeutet, dass er sich wohl doch erst aus dem Geschäft zurückziehen würde, wenn sein Sohn angemessen verheiratet sei.
Typisch! Auf seelische Erpressung hatte er sich schon immer meisterlich verstanden.
Aber natürlich wussten sie beide, dass Rion im Lauf der Jahre zur treibenden
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