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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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1933 konnte sie es noch wagen, den Reichstag anzuzünden; heute jedoch durfte die Kominternschlange keinen ihrer Köpfe mehr dort erheben, wo das Hakenkreuzbanner wehte. Vielleicht sollte man den kommenden Parteitag den der »Einheit und Freiheit« taufen. Albert Teetjen, während er so wartete, suchte in seinem Schulwissen nach einer Schlange mit vielen Köpfen, die ihr aber von einem Helden – wie hieß er doch? abgesäbelt wurden. Drüben jedenfalls in Fuhlsbüttel lauerten noch vier solcher Köpfe, und hier kam einer, es ihnen zu besorgen – einer, hinter dem der Wille des Führers stand und ganz Deutschland. Im Grunde konnte Stine darauf stolz sein, daß just ihr Albert dazu auserwählt worden war – stolz wie auf sein Eisernes Kreuz. Bekanntwerden durfte es vorderhand ja nicht; nur die wenigsten vermochten sich über alte Vorurteile hinwegzusetzen. Später aber ... Doch da rollte endlich die Straßenbahn an, ihn in seine neue Laufbahn hineinzutragen. Rauf und rin.

Zweites Buch
Das Gedächtnis der Reichswehr

Erstes Kapitel
Die Nachricht
    Die Hamburger sind kritische Leute. Sie schimpfen gern, besonders dort, wo vergangene Geschlechter für Schäden verantwortlich zu machen sind, deren Folgen weiter wirken, die Zukunft mitbestimmen. Daß man beim Planen der Stadt den schönsten Teil der Umgebung, das Alstertal mit seinen Höhen und Wällen, nicht zu ästimieren wußte, just Fuhlsbüttel mit Gefängnissen verzierte anstatt mit einer Künstlerkolonie und die Entwicklung Groß-Hamburgs in keiner Weise vorauszusehen verstand, verhalf Rednern in der Bürgerschaft, im Hamburger Parlament und selbst im Senat zu manchem Beifall. Auch von Bodenspekulationen und Terraingeschäften konnte dann die Rede sein – alles nur halb so schlimm gemeint; denn der Deutsche macht sich gern Luft, wenn ihn etwas kratzt, freut sich dabei aber, daß und wenn er keine tätigen Folgen daraus zu ziehen braucht. (Seltsamerweise blieben solche Reden völlig aus, seit sich im Fuhlsbütteler Stadtgefängnis auch ein Konzentrationslager eingenistet hatte, obwohl das die Gegend doch keineswegs verschönte.) So liegen denn seit Generationen inmitten der reizvollsten Landschaft drei riesige vielflügelige Gebäude, umgeben von roten hohen Mauern, und machen zusamt mit den Baulichkeiten der Verwaltung, der Bewirtschaftung, den Wohnhäusern der Beamten und der Villa des Direktors eine kleine Stadt für sich aus, langweilig von Bauart und erträglich nur durch das Zusammenspiel von Gemüsegärten, Grünflächen, Baumwipfeln und dem weiten Himmel; ein eifriges Flüßchen, die Alster, beeilt sich, südwärts zu laufen, in die Elbe, dort, wo einst Karl der Große mit seinen fränkischen Falkenaugen Möglichkeiten für eine Stadt, Hammaburg, erkannte. Daß seit Urzeiten dort schon slawische Fischer ihre Lehmhütten errichtet hatten, Verwandte der Wenden und Obotriten, minderte nichts an der Leistung des genialen Städtegründers und Zivilisators.Telephonistinnen haben die Pflicht zu schweigen. Zwar weiß man nie genau, wie sie es damit halten, wenn sie zum Beispiel mit einem Manne befreundet sind, den durchgegebene Neuigkeiten berühren. Es mag also durchaus sein, daß es nur auf Zufall beruhte, wenn Justizwachtmeister Bilski die Zellen, in denen die vier zum Tode verurteilten Häftlinge seit Monaten wohnten, am Morgen des ersten September mit verändertem Blick aufschloß. Als es aber erst im »Hamburger Tageblatt« gestanden hatte, daß es endlich gelungen sei, für den erkrankten Scharfrichter Dencke einen Ersatzmann zu stellen, einen gebürtigen Hamburger, der den vier kommunistischen Staatsverbrechern Friedrich Timme, Albin Merzenich, Willi Schröder und Walter Benjamin Mengers den verdienten Todesstreich versetzen werde, lief dies Gerücht durch alle Häuser des Gefängnisses. Das Röhrensystem der Zentralheizungen trägt geklopfte Nachrichten fast wie ein elektrischer Draht; auf Spaziergängen raunt und flüstert man sich Bruchstücke von Sätzen zu, die erraten werden, auch wo das Sprechen verboten ist; und die Wirtschaftsgebäude, die Küchen, die Gemeinschaftszellen, die Arbeiten in den Beeten und in den Werkstätten bieten den darin beschäftigten Gefangenen reichlich Gelegenheit, sich »eins zu vertellen«. Das alles war ja denn doch wohl zu arg, war das ja denn doch wohl. Hatten die Nazis nicht erst aus einer Rauferei, Stecherei, Schießerei in St. Pauli den Reeperbahnprozeß zusammengeschneidert, dann jahrelang auf die

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