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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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erhellte Lenes Mund und Augen. »Dat is god«, sagte sie. »Nun weiß Petrus, daß ich komme. Bist doch immer nett zu Muttern, Vater, und bringst die Lohntüte immer ganz nach Hause? Mal nen lütten Köhm, da kann ja nicht viel passieren. Aber doch noch stramm auf den Beinen sein, wenn sie den Hitlerlappen unter die Füße treten und Hammer und Sichel hissen.« – »Sollst doch nicht so viel reden, Leneken«, sagte der Vater, einer jener innerlich sanften Menschen, die am Sozialismus das Prinzip der gegenseitigen Hilfe angezogen hatte und festhielt. Sie aber schüttelte den Kopf und zuckte ungeduldig die Schultern. »Geh zu der Patronin Neumeier, Vater, Adresse beim Inspektor. Sag, deine Lene sei zu allen ihren Aussagen gestanden, bis sie gestorben wär’. Haben mich ja nicht zum Eid zugelassen, aber das ist mehr wie Eid. So«, sagte sie und streckte sich, »das ist die Wahrheit. Jemand soll sie wissen und weitertragen. Ist kein Fußabtreter, die Wahrheit, wie der Goebbels will und seineSchweine. Werden es schon merken. Wird sie schon totschlagen. Dachte immer, ich würd’ dabei sein. Eine Nutte mit der Wahrheit ist stärker als unser Zar. Ja, wir hatten keinen Lenin. Dem Walter Mengers bring mein Sittenbuch, zum Andenken, soll’s aufheben, mal später seinen Enkeln zeigen, was es in Hamburg damals alles gab.« (Daß dieser junge Mann sie nur um zwei Wochen überleben werde, war der Sterbenden schon entfallen.) »Und Mutter und den Mädeln ’n Kuß.« – Aus dem steilen Sitz, zu welchem sie sich aufgerichtet, bückte sie sich auf des Vaters Hand, stieß Husten und Blut aus, riß sich das Hemd auf, drückte die Finger auf die Narbe des Messerstichs und klappte nach vorwärts, das Bettleinen überblutend. »Schwester, Schwester«, schrie Werkmeister Prestow außer sich. Aber Schwester Adelheid vermochte ja auch nicht zu zaubern.
    Alle gemeinnützigen Anstalten Hamburgs erfreuten sich von alters her reger Anteilnahme von seiten der hamburgischen Frauen, und die gesetzgeberische Entwicklung der hansischen Republik war an dieser Tatsache nicht vorübergegangen. Die Waisenhäuser, Krankenhäuser, Strafanstalten wiesen die Einrichtung sogenannter Patronate auf, welche einen engeren Kontakt herstellten zwischen den wirklichen Bedürfnissen der Bewohnerschaft und den Möglichkeiten, die den Leitungen zur Verfügung standen. Erst ein Vorrecht der Damen aus den Kreisen des Patriziats, verbreitete sich diese ehrenamtliche Tätigkeit im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts unter den Frauen des Dritten, bald auch des Vierten Standes, und gerade die letzteren, deren Arbeitszeit so sehr in Anspruch genommen war, leisteten Rühmenswertes zugunsten der Benachteiligten und Schwachen. Zu den Patroninnen des Frauengefängnisses Fuhlsbüttel zählte Käte Neumeier schon vor der »Machtergreifung«, erst recht nach ihr. Sie war immer eine tüchtige Person gewesen, hatte sich gegen Ende ihres Studiums in Rostock und Kiel aus der Freien Studentenschaft zu den sozialistischen Jugendverbänden hin entwickelt, nach dem Sturz des Kaiserreiches zum erstenmal sozialdemokratisch gewählt, in der Wahl des Marschalls Hindenburg zum Nachfolger des Präsidenten Ebert ein Unglück und ein Symbol gesehen und daraus Folgerungen gezogen, die sie von ihren früheren Freunden entfernenmußten. Wenn das deutsche Volk sein Heer und den Soldatenstand als seinen obersten liebte, so mußten Massenparteien sich diesen Impulsen fügen. War man aber militaristisch, so blieb es unlogisch, sich nicht dazu zu bekennen. Dann bildete sich im deutschen Volke eben eine andere Form des Sozialismus aus als die bislang erkannte, wie sich ja auch im englischen, im italienischen, im russischen eigene Sozialismen herauskristallisierten. Strebte man eine dauernde und bleibende Verbesserung seiner Lage an, so konnte man an den Strukturprinzipien des Deutschtums nicht vorübergehen. Unsere Entwicklung drängte auf Wiederbewaffnung. Die Achtung vor einem Volke heftete sich nun einmal an seine Kriegsflagge. Als Hamburgerin liebte sie die großen Schiffe. Wie nun die Sozialdemokratie im Jahre neunundzwanzig erst gegen einen neuen Panzerkreuzer gestimmt und ihn gleich darauf bewilligt hatte, ward ihr dies Theater zu dumm. Dann hatten die Nationalsozialisten recht in ihrem Kampfe um die Mehrheit, und Käte Neumeier ging zu ihnen über. Seither war viel geschehen, auch in ihr ... Alle vierzehn Tage sah sie jetzt nach dem Rechten und nach ihren Schützlingen, zu welch letzteren die

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