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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Werkzeugstahl mit den geeigneten Hölzern von jenseits des Meeres paaren konnte, Großvaters Axt neu beschäften – bevor sie neu beschäftigt wurde ... Über diesen Witz schmunzelte er noch, als die Ladentür über Stine schellte.
III
    Ein grünes Kleid mit weißen Tupfen zu rosiger Haut, blitzenden Augen und rötlichem Haar machten selbst auf einen Ehemann Eindruck, der doch alles so gewöhnt war. Das Wetter hatte sich aufgeklärt, die Wolkendecke gelockert. Sonne funkelte hinter Stine durch die Scheiben. In ihrer Armbeuge preßte sie einen großen Busch weißer Astern, den sie »besonders billig« einem herumfahrenden Wagen der Wandsbeker Stadtgärtnerei verdankte. Albert griff ihr wohlgefällig unters Kinn. »Also hat der oll’ Footh funktioniert«, stellte er fest. »Und wie«, rief sie jugendlich. »Zauberei, kann ich dir sagen. Erst kriegten die Damens die Zähne nicht auseinander, mußten mal eben Herrn Piepenbrink fragen, mit der Registratur telephonieren. Ließen mich viele Minuten stehen, wo sie doch wissen sollten, wie schwer einer Frau das fällt. Ein Schild für Tierschutz hängt zwischen den Fenstern, Menschenschutz aber – bild dir nichts ein. Hätte mir ja einen Stuhl genommen, aber es lag ein grauer Strohhut auf dem einen und ein Spazierstock auf dem andern. Als sie aber wiederkam, die Volksgenossin – purer Zucker. Machte sogar selbst einen Stuhl frei, meinte: ›Stock und Hut steht ihm gut, aber bloß einem.‹ – ›Na‹, sagte ich, ›seid ihr solche Bangbüchsen geworden? Hat das Handwerk keinen goldenen Boden mehr?‹ Lachte dieDame: ›Seit der Machtergreifung allemal; aber wir arbeiten mit Spargroschen.‹ Na, nun ist das in Ordnung, und da dachte ich: Leistest dir die Chrysanthemen.« – »Sind Astern«, verbesserte er, indem er die schweren Blütenköpfe befühlte, »nicht mehr ganz frisch.« – »Sagte ich dem Gärtner auch. Aber der blieb bei Chrysanthemen. Wenn sie bald ins Wasser kämen, versprach er, hielten sie sich noch ’ne Woche. Kannst du, indes ich mich umziehe, die Stiele abhacken? Ein Tipp mit dem Beil.« – »Muß ja weg«, entgegnete er. »Hab nur auf dich gewartet. Für Footh in den Viehhafen und ins Schlachthaus.« Dabei erklang die Axt schon; Stine wunderte es nicht, ihr Albert, gottlob, liebte wie sie die Pflanzen – alles, was da seine Wurzeln in die Erde trieb und aus doch recht dünnen Stielen oder Stämmen Blütenköpfe oder Baumkronen zauberte. Denn es wirkte doch ganz wie Zauberei. Ein Körnchen, so groß wie ein Nagelrand, vom Roggen oder Apfel, eine Haselnuß oder Eichel – und das Ergebnis konnte sich sehen lassen und überdauerte unter Umständen den Mann, der es gepflanzt. Drollig, was alles in dem braunen Boden vorging ... »Werd’ also mein Mittag allein auslöffeln, Speckerbsen und Arme Ritter?« – »Arbeiten, Stine«, nickte er, indes er die Lederjacke anzog, »von nix kommt nix.« – »Halt!« rief sie, ergriff die Haarbürste und gab seinem Schnurrbart die schöne Form, geteilte Mitte und geschwungene Enden. »Die Leute sollen doch sehen, wer da bei ihnen werkt. Und um fünf bist du wieder da. Ich wart’ mit dem Kaffee.«
    Er blinzelte ihr zu, preßte das eingepackte Werkzeug untern Arm wie eine Gitarre, ahmte mit den Lippen jungenhaft das dazugehörige Plumplum nach und trat auf die Straße. Was für ’ne kußfeste Person seine Stine immer blieb! Die Schultern, der Hals ... nein, sie gaben kein übles Paar ab, wenn sie mal zusammen ausgingen ... In vierzehn Tagen war alles vorbei, dann mochte sie es wissen. Wie es ihr beibringen, das wollte er später bedenken, auch wie sie’s wohl aufnahm. Kam Zeit, kam Rat. Vorläufig schritt er jetzt allein zur Elektrischen und stand seinen Mann. Unter den Morgennachrichten, während er bei Lehmkes aufs Telephon wartete und das »Hamburger Tageblatt« anblätterte, hatte er ein paar Zeilen aufgepickt: die Vollstreckung der vier zumTode verurteilten Kommunisten sei für Mitte dieses Monats anberaumt, der technische Verzögerungsgrund endlich behoben. Und als er die Telephonecke verließ, hatte Dörte, das Balg, inzwischen das Radio angestellt, eine Rede, die der kleine Goebbels gestern abend im Sportpalast vor Gott weiß wieviel Tausend Deutschen von Stapel gelassen. Der Monat des Parteitags hatte begonnen, und der tüchtige Doktor zeigte voll Stolz, welch einen Weg man, dank Adolf Hitlers Genie und Prophetengabe, in diesen vier Jahren zurückgelegt, auch beim Ausrotten der kommunistischen Weltpest.

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