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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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und sich Speer und Tomahawk bastelte aus Latten und Kistenholz, mit Schnitzmesser und Laubsäge! Ich wäre vielleicht unter sie gefahren, ich, Chingachgook, die große Schlange, der Häuptling der Delawaren! Eine Federkrone im Haar, das Skalpiermesser im Gürtel, so hätte ich meinen Willen schon durchgesetzt, gegen mich hätten sie nicht gemuckst! Anstatt bloß Lederstrumpf und Winnetou zu lesen, hätte ich sie aufgeführt und ausgeführt – wie wir’s ja damals pflegten, in Winterhude, ehe die Stadt Hamburg bis zu uns hinauswuchs. Damals hatte ich freilich noch den Teddy und die Anna. Jetzt ist die Anna in Oldenburg verheiratet, der Teddy jedoch, Maat auf U 36, von der letzten Fahrt nicht mehr zurückgekommen. Schade um den Jungen. Aber da konnte man nichts machen. Die Engländer wollten damals nicht so wie wir, und sie setzten ihren Dickkopf ja denn auch durch. Anno vierzehn besaßen wir eben keinen Führer, der uns einbringt, was uns der Tirpitz versprochen hatte: die deutsche Weltmacht. Und alles ohne Krieg.
II
    Leute, die viel zu Fuß unterwegs sind, behaupten, der Weg zurück sei ein ganz anderer als der Hinweg. Die Anordnung der Gegend sei es, die den Unterschied bewirke. Albert Teetjen, ans Marschieren gewöhnt und an Wanderungen mit Stine in den Außenbezirken, hätte das bestätigen können; für die Wagnerstraße machte er diese Beobachtung zum ersten Male. Dabei hatte er den Gang vom Laden zu Lehmkes tausendmal zurückgelegt, in allen Beleuchtungen, Jahreszeiten, Stimmungen. So nachdenklich aber war er noch nie aus Lehmkes Budike nach Hause getrottet.Was fiel dem Footh eigentlich ein! Wie zu einem Angestellten hatte er gesprochen. Soundsoviel Köpfe Rinder und Schweine waren im Viehhafen für ihn angekommen, um dort gleich geschlachtet, zerlegt, in die Kühlhalle des Ölhafens herübergebracht zu werden. Er, Albert Teetjen, sollte sich bei dem Zollinspektor in Halle IV melden und das Werkzeug mitbringen, das er zu benützen gedachte. Wer das bezahlte? Niemand, mein Lieber. Unsere Trainingsspesen, damit’s beim anderen glatt gehe. Unsere. Beim anderen. Worin das bestand – keine Andeutung der gemütlichen Stimme. Kleinigkeit, vier kurze Nackenschläge. »Wirst mir ja doch wohl keine Schande machen wollen – Teetjen.« Wem? Dem mächtigen Herrn Footh ...
    Sahen die Häuser hier eigentlich schon immer so verrußt aus? Schwarzrote Ziegel, die Eingänge viel zu eng? Sollte Klempner Drohm seine Auslage nicht mal endlich erneuern, die kümmerlichen Lampen, Kuchenbleche und Backformen? Hatte die verfluchte »Blase« nicht das Schild der Hebamme Gräf mit einem Klebebild versehen, ein Engelchen darstellend mit aufgestützten Armen, sie so als Engelmacherin kennzeichnend? Roch es immer so nach Kohl, wenn man nicht in der Mitte der Straße ging, sondern, wie es sich gehörte, auf dem rechten Bürgersteig? Einerlei, der Volksgenosse Footh hatte recht, Training war nötig und durfte nicht auffallen. Die Zeiten waren vorüber, wo Albert sich harmlos unter die Innungskollegen hätte mischen können, die auf dem Schlachthof zu tun hatten. Wie die Dinge jetzt lagen, SS.-Mann und über vierzig Jahre alt, hätte es ein gewisses Hallo gegeben, und außerdem seinem Kredit geschadet. Er schuldete der Viehverteilungsstelle bei der Zentraleinkaufsgesellschaft ohnehin noch ein hübsches Sümmchen – ohne Footh hätte er sich an Lehmke wenden müssen oder an den Sturmführer, damit jemand der Innung gegenüber Bürgschaft übernähme. Aber das hätte sich herumgesprochen und kaum genutzt. Aufschub, ja, aber höheres Einkommen? Gewiß war vieles besser geworden im Deutschland Adolf Hitlers. Der Arbeitsmann, der Handwerker genossen mehr Ehre, und draußen, jenseits der Grenzen, fing man wieder an, uns zu fürchten. So gehörte sich’s. Dann war die Schmach von Versailles getilgt. Im vorigen März, bei der Wiederbesetzungdes Rheinlandes mit unserem Militär, hatten die Franzosen nicht gewagt, mit der Wimper zu zucken. Dabei hieß es später, nach dem fabelhaften Sieg bei der Volksabstimmung, die Generäle seien dagegen gewesen, die Stäbe hätten die Rückmarschbefehle bereits ausgeschrieben. Unser Adolf, der Mann aus dem Volk! Schritt er in seinem schlichten Überrock und barhäuptig inmitten der Wirtschaftsführer, Bonzen, all der patenten Uniformen, Abzeichen und Orden, eine Werft besichtigend, unter den riesigen Kränen durch, bei Blohm und Voß oder dem »Vulkan«, und inspizierte die großen Neubauten, Kriegsschiffe,

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