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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mehr von dem Zarewitsch Alexej. Peters Reformen, mit eiserner Hand, ja Terror durchgesetzt, veränderten das Weltbild. Katharina war offiziell zur Zarin gekrönt worden, Gymnasien und Universitäten wurden gegründet, das Heer wuchs zu einer gigantischen Macht, es gab keine europäische Politik mehr ohne Rußlands Wort. Die Schweden waren besiegt, die Türkei und die Sultanate hatten mit Peter Frieden geschlossen, und Petersburg reihte sich ein unter die schönsten Städte Europas. Aus Bären und Barbaren – wie man bisher die Russen nannte – waren Bündnispartner und soziale Vorkämpfer geworden, und wenn auch das Volk unter Steuern und Knute litt … ein anderes Leben war's als die Jahrhunderte vorher. Ein Leben in die Zukunft hinein.
    Peter I., nun nicht nur wegen seiner Zwei-Meter-Größe, sondern auch als Herrscher und Staatsmann ›der Große‹ genannt, war auf der Höhe seiner Macht ein kranker Mann geworden. Ein hohler Riese, der immer öfter das Bett hüten mußte, der zu Kuren fuhr, der sich in seinen Krämpfen wand, der unmäßig essen und saufen konnte, um dann wieder wie ein einfacher Bauer zu leben, der die Mätressen wechselte wie seine Hemden, aber nur eine Frau wirklich liebte, seine Katharina. Sie hatte ihm zwölf Kinder geboren, sechs Jungen und sechs Mädchen, von denen nur die Tochter Elisabeth noch lebte, neben Anna, der älteren Tochter, die nun mit dem Deutschen Karl Friedrich von Holstein-Gottorp verheiratet war.
    Ein Zar wie aus einem Märchen, aus der Ferne betrachtet. In Rußland selbst aber träumte man von einem Zaren, der gütig und väterlich war und seinen Weg zum Erfolg nicht mit Galgen, Rädern, Pfählen und Köpfen säumte. Aber wann hatte es in Rußland jemals einen solchen Zaren gegeben? Noch jeder Herrscher über das Riesenreich war vom Volk gehaßt worden, von den Millionen Bauern und Leibeigenen, Handwerkern und Gewerblern. Mit Peter I. hatte man endlich eine Art Lichtgestalt, die jeder ›Väterchen‹ nannte, weil er Vater eines neuen Rußland war.
    Friedrich Theodor Wachter und seine Frau Adele bekamen in diesen Jahren noch drei Kinder; zwei starben kurz nach der Geburt, das dritte, ein Mädchen, ertrank an einem warmen Sommertag 1723 in der Newa, weil niemand sich um die Hilfeschreie kümmerte und jeder am Ufer vorbeiging. Hineinspringen? In die Newa? Welch ein Gedanke! Wer in diesem Wasser schwamm, war selbst schuld an seinem Unglück. So blieb den Wachters also nur Julius, der Erstgeborene, und oft sagte der Zar zu seinem heimlichen Vertrauten:
    »Fjodor Fjodorowitsch, paß Er gut auf Seinen Sohn auf! Denk Er an das Erbe. Ein kluger Junge ist's, nicht wahr? Nur Gutes hört man von ihm.«
    »Ein Medicus will er werden.«
    »Verboten! Er gehört zum Bernsteinzimmer!«
    »Gesagt hab ich's ihm … aber er hat andere Pläne, Majestät.«
    »Ein Arzt!« Peter hatte abgewinkt und dabei sein Gesicht verzogen. »Weiß Er, was ich von Ärzten halte? Schwätzer alle, Lateinscheißer, Scharlatane, Besserwisser ohne Wissen, Quacksalber. Wieviel Ärzte habe ich um mich, weiß Er das? Ich weiß es nicht … aber sie wimmeln um mich herum wie die Ameisen. Deutsche Ärzte, Engländer, Franzosen, Russen, Holländer, Österreicher, sogar ein Perser ist dabei! Aber helfen sie mir? Lindern sie meine Schmerzen? Von Heilung spreche ich schon gar nicht! Nur Geld kosten sie mich, Tausende von Rubel, und dafür stehen sie um mein Bett herum, glotzen mich an, und jeder hat eine andere Meinung von meiner Krankheit! Jeder braut sein eigenes Säftchen. In Wirklichkeit wissen sie gar nichts. Wachterowskij, Sein Sohn wird kein Medicus!«
    Nun, im Jahre 1725, nach einem Weihnachtsfest voller Freude, an dem der Zar zusammen mit seinen Freunden die Tradition der Weihnachtssinger fortführte, ein Umzug von Haus zu Haus der vornehmen Petersburger Gesellschaft, wo Peter I. mit dem Hut in der Hand die Rubel einsammelte, die man ihm natürlich reichlich gab, war Julius Wachter neunzehn Jahre alt. Er hatte sich in die Tochter des Kammerherrn Kondratin Michajlowitsch Kurakin, die schöne Sofja Kondratinowna, verliebt, studierte heimlich bei dem Leibarzt des Zaren, dem Deutschen Dr. Blumentrost, Anatomie, die Kunst des Schneidens und das Erkennen von Krankheiten, das man Diagnose nennt, und wurde gleichzeitig von seinem Vater in die Pflege des Bernsteinzimmers eingewiesen.
    »Warum, Vater –« sagte Julius eines Tages, »– kann ein Arzt nicht auch ein Zimmer bewachen? Dazu bleibt Zeit genug.«
    »Warum

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