Das Biest aus den Alpen
sie so futterten,
räumte Fritzi das Geschirr vom Nachbartisch ab. Tim war es nicht entgangen,
dass ihre Augen gerötet waren. Er beobachtete Fritzi eine Weile.
»Hey, Fritzi, hast du nicht gut
geschlafen?«
Die junge Frau schüttelte stumm
den Kopf. Dann drehte sie sich weg. Sie wollte nicht, dass ihre Gäste sie so
sahen. Doch Tim ließ nicht locker.
Schließlich konnte Fritzi ihr
Geheimnis nicht länger für sich behalten. Zu groß war der Druck, der ihr auf
der Seele lastete. Zu viel war in den vergangenen Monaten geschehen. Erst die
andauernden Geldsorgen der Eltern und die damit verbundene Angst, die Pension
nicht halten zu können, und jetzt das...
»Gestern Abend konnte ich nicht
schlafen und bin hinunter in die Küche gegangen, um mir ein Glas Milch zu
holen«, erzählte sie. »Ich sah noch Licht in der Gaststube. Durch den Spalt der
geöffneten Tür konnte ich beobachten, wie ein Fremder heftig auf Vater und
Mutter einredete. Es war ein aalglatter Typ mit bulligem Kahlschädel. Einen
schicken Anzug hat er getragen. So ein Stadtmensch. Der war bestimmt nicht aus
der Gegend. Leider war sein Gesicht nicht zu sehen, da er mit dem Rücken zu mir
stand. Meine Eltern schienen ziemlich erregt zu sein. Mein Vater brachte den
Mann dann zur Haustür. Er rief ihm nach: ›Lassen Sie meine Familie in Ruhe!‹
Dann sagte Vater noch etwas zu meiner Mutter — ich konnte es nur leider nicht
verstehen — und knallte schließlich die Tür zu, als wolle er einen Strich unter
das machen, was er soeben gesagt hatte.
Ich hab noch ein wenig
gewartet. Dann bin ich wieder zurück auf mein Zimmer gegangen. Jedenfalls war
Vater sehr aufgeregt und Mutter hat sich verstohlen eine Träne aus dem Gesicht
gewischt.«
Nachdem Fritzi ihre Geschichte
losgeworden war, wirkte sie ein bisschen ruhiger. Tim versicherte ihr, dass es
richtig gewesen war, ihn und seine Freunde einzuweihen. Er streckte die Hand
aus, in die Fritzi einschlug: »Du kannst auf uns zählen, das ist ja wohl
Ehrensache! Wir finden heraus, was dieser Glatzkopf von deinen Eltern wollte.«
Am Ortsausgang, an der Straße
nach Kiefersfelden, stand
noch ein spätmittelalterliches Burgtor, das einen engen Durchlass zwischen den
Felshängen bildete. Hier befand sich das sogenannte Burgtormuseum. Wo man
früher die wichtige Handelsstraße nach Italien überwacht hatte, war heute das
Heimatmuseum untergebracht. Das wollte sich Karl anschauen. Tim, Klößchen und
Gaby hatten bei dem herrlichen Sommerwetter keine Lust auf Kultur und zogen den
Badesee vor. Klößchen wollte weiter an seiner Arschbombentechnik feilen und Tim
und Gaby freuten sich auf ein ausgiebiges Sonnenbad. Tim, der sich gerne
draußen an der frischen Luft aufhielt, war fast immer braun gebrannt. Gaby
fand, dass das super zu seinen braunen Locken aussah. Sie selbst entsprach eher
dem Typ »heller Europäer«, mit blasser Haut, blonden Haaren und blauen Augen,
in denen man geradezu versinken konnte, wie Tim häufig dachte.
* * *
Das Museum verfügte über eine
große, bereits 135 vor vielen Jahren angelegte Sammlung. Darunter befanden sich
die seltsamsten Objekte, die an den unterschiedlichsten Orten dieser Welt
aufgestöbert worden waren. Kultgegenstände, altertümliche Foltergeräte und
schließlich eine riesige Sammlung tödlicher Waffen aller Art aus allen
Jahrhunderten.
Tod und Schmerz waren in dieser
grauenhaften Ausstellung in allen ihren Formen vertreten. Zusätzlich gab es
noch vielerlei, das ebenfalls geeignet war, eine Gänsehaut zu machen: riesige,
behaarte Spinnen, Furcht einflößend in allen Einzelheiten, ausgestopfte
Schlangen der widerlichsten und abscheulichsten Art, Krebse, die mit bizarren
Stacheln ausgerüstet waren, getrocknete Tintenfische mit monströsen
Fangarmen...
»Na, gefallen dir die
Exponate?« Ein älterer Herr mit gütigen Augen war neben Karl aufgetaucht. Er
stellte sich als Alois Wildgruber, Kurator des Museums, vor. »Ist es nicht
erstaunlich, was Vikar Johannes einst aus der ganzen Welt zusammentrug?«,
fragte er.
Karl nickte. »Wer war denn
dieser Vikar?«, erkundigte er sich.
»Ein Geistlicher hier aus der
Gegend. Nach einem großen Brand, bei dem unsere schöne Pfarrkirche fast bis auf
die Grundmauern abbrannte, sammelte er immense Spendengelder von vielen Tausend
Gulden und baute das Gotteshaus wieder auf. Eine tolle Leistung!«
»Und er hat all diese Ausstellungsstücke
zusammengetragen?«, staunte Karl.
»Nicht alle, aber doch die
meisten.
Weitere Kostenlose Bücher