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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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immer, und es kann nicht verbergen, dass es nun fast zu Ende ist, und das würde es auch nicht wollen, wenn es könnte.
    Alles hört auf.
    Das hast du begriffen.
    Du erinnerst dich an den Geschmack von Sonntagabenden, als sie schrumpften, bis zum Schlaf, und dann am nächsten Morgen wieder Schule: dieser Wechsel. Oder ein Lieblingslehrer ging weg und wurde von jemand Langweiligem oder Furchteinflößendem ersetzt. Du bist durch die unbestimmte Melancholie in den letzten Urlaubsstunden der Kindheit gestolpert, die üblichen gespaltenen Wünsche: Du möchtest die Orte verschlingen, die du entdeckt, erlernt, gemocht hast, die neuen Freuden, du möchtest dich in ihnen wälzen, sie so festhalten, dass sie für immer bleiben, sich einfügen, dass sie jenseits ihrer Beschränkungen in dir sprechen – entweder das, oder du schmollst und wartest, hast nicht mehr genug Zeit, so zu sein, wie du warst, und mehr als genug, dich verletzt und beraubt zu fühlen. Du hast schon beide Haltungen eingenommen, manchmal gleichzeitig.
    Mit der Zeit hast du langsam, langsam, langsam angefangen, dieses Glitzern zu verabscheuen, dieses Zittern, diese kleinen Tunnel in deine Zuneigung, die von zeitlich begrenzten Freuden ausgehen: den Haustieren, Spielzeugen, Gärten anderer Leute, den geliehenen Kleidern, Zimmern oder Häusern, den durchreisenden Freunden von Freunden, den Eltern anderer Menschen, dem Hier und dann Fort – du mochtest sie, hast ihnen aber auch vorgeworfen, vergänglich und daher verletzend zu sein.
    Und dir gefällt auch das Wissen nicht, dass die Ereignisse, sobald du weggegangen bist, sich wieder hinter dir schließen und weitergehen werden. Deine Anwesenheit ist nie völlig unentbehrlich.
    Seit du älter geworden, unabhängig in Bewegung bist, gab es Landschaften, die großzügig und beeindruckend waren, besondere Hobbys, freundliche Hotels, Galaveranstaltungen, unterschiedliche Haustiere, Spielzeuge, Gärten, Kleider, Zimmer, Häuser, und du hast, wie üblich, eingewilligt, sie zu mögen – aber je mehr du sie liebst, desto mehr kannst du sie nicht halten.
    Auch dessen bist du dir bewusst.
    Also lässt du los – was gesund und erwachsen ist – und gelegentlich wunderbar. Manchmal hast du diese schnellen Tage bewundert, diese kleinen Kopfsprünge in Augenblicke, in denen du vollständig zu Hause bist, weil sie alles sind, was sie je sein werden, und weil es also keinen Sinn hat, deinen Enthusiasmus zu rationieren. Du kannst halsbrecherisch Vollgas geben. Du hast Vergnügungen und Aufregungen probiert, Gefahren, eben weil du ganz sicher warst, dass sie nicht von Dauer sind – als würdest du alternative Versionen deiner selbst testen.
    Und sich Menschen nur vorübergehend auszusetzen, kann auch eine bemerkenswerte Gnade sein: kein Grund, das Versagen der anderen zu bedenken, kein Grund, dein eigenes auszuspielen – genauso erscheinen, wie du willst, dich so weit einlassen, wie du willst, und dann fertig zu sein, Vorstellung vorbei. Keine losen Enden, nur Erfahrung, reine Existenz – das kann auch seinen Platz haben.
    Es gab Tage, da hast du gern erklärt, wie vollkommen in Ordnung es ist, eine Tür von außen zu schließen, allein weiterzugehen und Frieden zu haben. Eine Weile Frieden, Raum und Freiheit, um dann erfrischt wieder hereinzukommen.
    Die schlimmsten deiner Verluste geben dir zumindest immer diesen Trost – eine zu große Freiheit. Die große, tiefe, aussichtslose Liebe: die Abwesenheit, die immer noch zuschlägt, dich an Jahrestagen erwischt, in alten Fotos, albernen Geschichten; diese Chancen, die du nicht bekommst – die können dich ins Freie stoßen. Und vielleicht fliegst du. Jetzt kannst du sein, wer du willst, vielleicht – aber niemand wird sehen, wie du es versuchst.
    Alles fängt an.
    Das weißt du.

BETH UND ARTHUR – Arthur und Beth.
    Ich bin nicht sicher, wie wir angekündigt würden oder wie Fremde uns bezeichnen würden, wenn man uns als Paar vorstellte, welche Namen und Begriffe wir nahelegen würden.
    Nicht sicher.
    Sie sind zusammen, das bestimmt, Arm in Arm auf dem höchsten Deck des Schiffes, mit den Frühaufstehern, den Relinglehnern, den Kameraträgern, den Klumpen und Haufen murmelnder Gestalten. Alle scheinen ein wenig verwirrt und empfindlich vom Schlafmangel und der ausladenden Kälte um sie herum, die relativ still ist, aber doch auf ihre gnadenlosen Orte hindeutet: die Hudson Bay und der weitere Norden, die Erhabenheit tödlicher Wüstenei. Die Dunkelheit jedoch liegt

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