Das blaue Buch - Roman
im eigenen Heim feiern.
Er bleibt oft im Kreise seiner Leute und redet mit ihnen, bittet sie um ausschließlich rote Marmelade und fragt sie, wie man Krankenhaus sagt und wozu das Dunkel da ist, und er küsst sie zum Schlafengehen und zum Abschied, aber nicht zur Begrüßung. Und er stolpert und springt nackt vor ihnen herum, zwischen dem Bad und dem Schlafanzug, denn kaum etwas ist toller, als nackt zu sein, wenn es niemand sonst sein darf, weil sie schon zu alt sind. Und dies sind die Menschen, die ihn lieben, die beim Einschlafen überlegen, was er wohl als nächstes anstellen wird, und dass er am nächsten Morgen noch ein bisschen mehr er selbst sein wird, jeden Tag mehr.
Sein zweiter Geburtstag ist anders: Es gibt Pläne, Gäste von außen werden kommen – keine Zauberer – andere Kinder mit ihren Eltern. Und es ist heiß, schon ganz heiß, also wird es wohl eine Art Picknick geben – was sich auch drinnen abhalten lässt, falls es, natürlich, regnet – und es kann Spiele und Nickerchen und ja, auch ein paar Zaubertricks geben, eine kleine Menge Tricks von Opa.
Weil der Junge so gern planscht und seine Haut an der Luft hat – mit dem flotten Hut und dem Sonnenschutz: Das Einschmieren mit Sonnencreme findet er nicht uneingeschränkt gut, aber er kriegt sie trotzdem, wird trotzdem geschützt – und weil er Wasser mag, wird das Planschbecken aufgestellt – ein kleines, aufblasbares Ding. Er hat es schon einmal ausprobiert und ist ganz verrückt davon geworden, wie eindrucksvoll es ist. Es macht ihn sprachlos – und bringt ihn dann zum Singen.
»Lanschbecken.« Er verlangt öfter danach, als er es bekommt.
»Lanschbecken.« Er kann Planschbecken perfekt aussprechen – sein Sprachvermögen ist fortgeschritten und vielseitig, ein Geschenk. Er will nur nicht Planschbecken sagen – das Lanschbecken ist so großartig, dass es einen eigenen Namen verdient. Sein lila Hund heißt Uff, und dann gibt es noch das Lanschbecken – zwei glorreiche Dinge.
Das Wochenende vor der Party ist sonnig. Der Samstagnachmittag wird im Kreise der Familie im Park verbracht, mit wackliger Verfolgung von Tauben und fallen gelassener Eiscreme, und der Junge hat einen Luftballon – Ballons weiß er zu schätzen – das hier ist ein richtig schicker aus silbernem Material, der über seinem Kopf wippt, wenn er mit ihm läuft. Er lässt ihn von niemand anderem halten – bis ihm das Band entgleitet und er fliegt, sich aufschwingt.
Alle vier sind vom Aufstieg des Ballons hypnotisiert, und der Junge gar nicht unglücklich – er klettert so herrlich in die Höhe, der Junge ist stolz auf ihn. Aber auf der ganzen Rückfahrt fragt er, ob sein Ballon zu Hause auf ihn warten wird, und wo er hin ist, und was er jetzt macht, und wann er nach Hause kommt, und er soll aber nach Hause kommen. Der Ballon ist sein erstes Problem. Er ist der Anfang seines Traurigseins.
Am Sonntag stellen seine Mutter und sein Opa das Lanschbecken auf und lassen es volllaufen, denn es kann – abgesehen von der üblichen Freude – vielleicht den Verlust des betrauerten Ballons kompensieren und der Ablenkung dienen.
Der Junge platscht, läuft und rutscht tatsächlich im Becken herum, bis ihn sein ungetrübtes Vergnügen ganz wirr im Kopf macht und er – schließlich – einwilligt, sich anziehen und erneut mit Sonnenschutz einschmieren zu lassen und dann mit seinen Stoffbüchern und mit Uff auf seiner Decke zu lümmeln.
Und seine Großmutter ist in der Küche und brät zum Abendessen ein Hühnchen, was sie nie wieder tun wird.
Und seine Mutter ist im Garten und spricht mit Opa und ruft zugleich in die Küche, erhält aber keine Antwort, und – das wird nur einen Augenblick dauern – sie trabt zur Küchentür und schaut hinein und ist abgelenkt, wird abgelenkt, geht wieder hinaus in den Garten, weil sie zum Abendessen das gefragt hat, was sie wollte – wann es fertig sein wird – und das ist nicht wichtig, konnte nie wirklich wichtig sein, kann keine Rolle spielen – aber dann denkt sie daran, was danach kommen, wie ihr Abend verlaufen könnte. Also beschließt sie, spätere Arrangements zu besprechen, geht wieder aus der Sonne und in die Küche, plaudert.
Und es ist schwer zu sagen, ob überhaupt eine Minute vergeht.
Und dann steht der Großvater des Kindes im Türrahmen.
Er steht im Türrahmen, und seine Arme sind nass, und der Junge auch – die Sachen, die der Junge gerade erst angezogen hat, sind klitschnass.
Es gibt Verwirrung.
Es gab
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