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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ja nicht heulen.
    Bald würde Konstantin kommen. Dann würde sie lächeln. Er hasste es, wenn sie weinerlicher Stimmung war, er wollte nicht mit ihrer Traurigkeit belästigt werden, er wollte Frohsinn um sich herum haben und feiern.
    Flora war zu einer guten Schauspielerin geworden. Ihr entwich kaum mehr ein unbedachter Seufzer, ihr stiegen keine Tränen mehr in die Augen, sie lachte laut, auch wenn ihr zum Weinen zumute war.
    Die Augen mit einer Hand gegen die Sonne abgeschirmt, schaute Flora in die Ferne. Vielleicht würde Konstantin nachher einen Spaziergang mit ihr machen? Wenn sie ein wenig abseits der Wege gingen, konnten sie Hand in Hand laufen, Blätter sammeln und aus Eicheln und kleinen Stöckchen Pfeifen bauen, so, wie sie es als Kinder in Gönningen gemacht hatten.
    Floras Stimmung hob sich bei diesem Gedanken. Solch eine kindische Idee würde Konstantin gewiss gefallen!
    Ja, Konstantin gefiel ihre Fröhlichkeit. Sonst hätte er sie gewiss nicht gebeten mitzukommen. »Paris soll eine aufregende Stadt sein«, hatte er gesagt, als er ihr seine Abreisepläne für das Ende kommender Woche mitteilte. Nach ihren Wünschen hatte er sie nicht gefragt.
    Eine aufregende Stadt – genügte das als Grund, um all das zu verlassen, was einem lieb und teuer war?
    Schon huschte der nächste Schatten über Floras Miene. Kuckucksspucke, sie konnte doch nicht weg! Was auch immer geschah, sie musste in der Nähe ihres Sohnes bleiben.
    Aber solche Gedanken kamen Konstantin nicht. Ganz aufgeregt war er gewesen, als er sagte: »Komm mit und lass uns dort eine schöne Zeit miteinander verbringen! Die liebe Anna sagt, in Paris gäbe es mehr als genügend verrückte Zerstreuungen.«
    Für wen?, hätte sie ihn am liebsten gefragt. Für dich und die liebe Anna? Während ich wie ein Spielzeug in irgendeinem Hotelzimmer zurückgelassen werde? Für die Nachtstunden bin ich dir gut genug, tagsüber schmückst du dich lieber mit einer russischen Adeligen.
    Flora konnte sich nicht vorstellen, dass Konstantin sich in Paris öfter mit ihr zeigen würde als hier. Nach seinen Worten hatte fast der ganze russische Freundeskreis vor, den Winter dort zu verbringen.
    Die liebe Anna … In letzter Zeit fiel ihr Name immer öfter. Hatte sie es auf Konstantin abgesehen? War sie diejenige, die derzeit für seine Rechnungen aufkam? Die ihm das Pferd für die heutige Jagd zur Verfügung gestellt hatte?
    Seltsamerweise verspürte Flora bei diesem Gedanken keine Angst. Seltsamerweise war es ihr fast schon egal, mit wem er seine Zeit verbrachte, wenn er nicht bei ihr war. Sie konnte eh nichts daran ändern. Außerdem versicherte Konstantin ihr immer und immer wieder, dass er nur sie, Flora, lieben würde.
    Liebe … Flora wusste weniger denn je, was das war.
    Plötzlich wurde die Menge um sie herum unruhig.
    Â»Schaut nur, da kommen sie!« – »Was für eine schöne Kutsche!« – »Und sieh mal – die edlen Rösser!« Hände zeigten nach vorn, Köpfe reckten sich, Flora bekam erneut einen Stoß in die Rippen, jemand trat ihr unsanft auf den rechten Fuß.
    Das zwanzigköpfige Orchester, das sich eigens eingefunden hatte, um die Jagdgesellschaft zu feiern, hob zu einem strammen Marsch an, als der erste Wagen – ein offener Landauer, geschmückt mit Girlanden aus Tannengrün – vorbeifuhr. Fürst Popo führte die Zügel der beiden Rappen, die bei jedem Schnauber kleine Spuckefetzen in die Menge schleuderten. Hinten auf dem Wagen lag aufgebahrt auf einem Bett aus Grünzeug einriesiges Wildschwein, dem irgendjemand einen rotwangigen Apfel zwischen die Hauer geschoben hatte. Das Tier entlockte der Menge bewundernde Kommentare.
    Wo ist denn Fürstin Irina?, wunderte sich Flora. Hatte Popo ebenfalls allein zur Jagd gehen wollen? Ha! Als ob sich die Fürstin das Mitkommen verbieten ließe. Der Gedanke war so komisch, dass Flora schmunzeln musste.
    Es folgten weitere Kutschen, allesamt prächtig herausgeputzt für den großen Tag. Dann endlich kamen die Reiter und hinter ihnen das Fußvolk.
    Da! Da war Konstantin! Flora hüpfte in die Höhe, rief laut seinen Namen und fuchtelte mit der Hand, um ihn im Getümmel der Menge auf sich aufmerksam zu machen.
    Wie adrett er auf seinem Braunen aussah! Wie ein Korsar. Wie bewundernd die Leute zu ihm aufschauten! Wie sich die

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