Das Blut der Rhu'u
meiner – Mutter erfahren, dass ich adoptiert wurde, und meine leibliche Familie ausfindig gemacht.«
»Wo wohnt sie?«, wollte Jarod wissen.
»Aber das ist ja wunderbar«, freute sich Onkel James und enthob Kara damit einer Antwort. »Und sicherlich sehr verwirrend.«
Sie nickte nachdrücklich. »Ja, sehr. Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Immerhin waren sie froh, dass ich sie kontaktiert habe, und haben mich eingeladen, eine Weile bei ihnen zu wohnen, damit wir uns besser kennenlernen können. Natürlich möchte ich das Angebot annehmen. Aber ich fürchte, ich werde mich deshalb für längere Zeit nicht auf meine Arbeit konzentrieren können.«
»Das ist doch nur zu verständlich.« Tante Linda umarmte Kara. »Ach, Kara, das ist wunderbar. Hoffe ich doch.«
Kara nickte und blickte Onkel James an. »Wäre es möglich, dass ich auf unbestimmte Zeit unbezahlten Urlaub bekomme?«
»Aber ja. Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen. Das Museum wird schon ein paar Wochen oder auch Monate ohne Sie auskommen können. Ach, sind das wundervolle Neuigkeiten! Wie ist denn die Familie so?«
Kara lieferte einen detaillierten Bericht, ohne etwas wirklich Wichtiges zu erwähnen. Sie beschränkte sich darauf zu berichten, wie glücklich die Familie war und wie gut sie sich mit allen auf Anhieb verstand. Jarod fühlte, dass das nur teilweise zutraf. Aber er verstand Karas Zurückhaltung. Ebenso, dass sie sich recht bald wieder verabschiedete.
»Ich muss noch ein paar Sachen aus meiner Wohnung holen. Man erwartet mich heute Abend noch zurück.« Sie erhob sich. »Also auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal. Ich sage Bescheid, wenn ich genug Urlaub hatte.«
Jarod erhob sich ebenfalls. »Ich begleitete dich. Nur für den Fall, dass du noch mal überfallen wirst. Es ist schon dunkel.«
»Eine gute Idee«, stimmte Onkel James zu. »Man sollte kein Risiko eingehen. Wiedersehen, Kara. Lassen Sie sich Zeit. Für alles.«
Jarod merkte, dass sie am liebsten gegen seine Begleitung protestiert hätte. Sie tat es nicht.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagte er, als sie auf der Straße allein waren. »Du hättest anrufen können. Ich gehe wohl nicht falsch in der Annahme, dass deine Familie dich daran gehindert hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Daran haben mich die Leute gehindert, die mich angegriffen haben. Sie sind mir nach Lochinver gefolgt und hätten mich beinahe umgebracht, wenn mein Bruder Kyle nicht rechtzeitig gekommen wäre. Ich hielt es nicht für ratsam, mein Smartphone zu benutzen. Wer weiß, über welche technischen Möglichkeiten die Leute verfügen. Sie hätten mich finden können.«
»Klug gedacht. Aber es hätte andere Möglichkeiten gegeben, mich zu kontaktieren.« Er blieb stehen, als sie schwieg. »Du hattest Angst vor mir, nicht wahr? Vielleicht hast du sie noch.«
Der Blick, den sie ihm zuwarf, bestätigte ihm das. Er strich ihr über die Wange. »Kara, ich bin nicht dein Feind.«
Sie blickte ihn unglücklich an. »Du bist ein Defensor, nicht wahr? Ist das nicht dasselbe?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir Defensoren verteidigen die Menschen, wenn und in welcher Form es nötig ist. Ja, manchmal sind wir gezwungen, ein paar von den Anderen zu töten. Aber das ist immer nur das allerletzte, niemals das erste Mittel der Wahl. Darauf gebe ich dir mein Wort.« Er entschloss sich zur Offenheit. »Ich weiß, was du bist, Kara. Ein Sukkubus. Das habe ich deutlich gefühlt, als wir miteinander geschlafen haben.« Er lächelte. »Deine Augen haben dabei geglüht.«
Sie wurde bleich und trat einen Schritt von ihm zurück.
»Ich weiß auch von den vier seltsamen Fällen, in denen junge Männer plötzlich zu Greisen geworden sind.«
Sie sog scharf die Luft ein und machte Anstalten zu fliehen. Er hielt sie am Arm fest. »Bitte, Kara, hab keine Angst. Ich habe mich inzwischen schlau gemacht über Sukkubi und Inkubi. Was da passiert ist, war ein Unfall. Und inzwischen hast du offensichtlich das rechte Maß entwickelt, denn es hat keine weiteren Fälle gegeben. Und somit habe ich keinen Grund, dich zu verfolgen. Zumindest nicht in feindlicher Absicht.« Er lächelte, ließ sie los und freute sich, dass sie nicht floh.
Sie seufzte und blickte ihn gequält an. »Du hattest so ein Glück, dass mir das nicht mit dir passiert ist.« Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Oh Gott, wenn mir das mit dir passiert wäre ...«
Er nahm sie in die Arme und streichelte tröstend ihren Rücken.
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