Das Blut des Teufels
herumwirbelnden Kern des Scanners zukroch. Als der Scheitel der Mumie den Tunnel erreichte, wurde das Klacken der Maschine von einem Chor lauter, dumpfer Schläge begleitet – der Apparat nahm Bilder auf.
»Bob«, sagte Joan, »verschaffen Sie mir als Erstes eine Oberflächenansicht der Gesichtsknochen. Mal sehen, ob wir feststellen können, woher dieser Bursche stammt.«
»Das können Sie nur anhand des Schädels bestimmen?«, fragte die Reporterin.
Joan nickte, ohne die Computer aus den Augen zu lassen. »Die Struktur von Jochbogen, Stirn und Nasenbein sind wichtige Kennzeichen für Herkunft und Rasse.«
»Da ist es!«, verkündete Dr. Reynolds.
Henry wandte sich vom Fenster ab und schaute Joan über die Schulter. Auf dem Monitor erschien ein Schwarzweißbild, das einen Querschnitt des Schädels zeigte.
Joan setzte ihre Lesebrille auf und schob ihren Sessel näher heran. Sie beugte sich vor, um das Bild zu studieren. »Bob, können Sie es bitte um dreißig Grad drehen?«
Der Radiologe, der an einem Bleistift kaute, nickte. Er drückte ein paar Knöpfe und der Schädel drehte sich leicht, bis er ihnen voll ins Gesicht starrte. Joan griff nach einem kleinen Lineal und führte stirnrunzelnd einige Messungen durch. Sie tippte mit dem Fingernagel auf den Bildschirm. »Diesen Schatten über der rechten Augenhöhle würde ich mir gern etwas näher ansehen.«
Ein paar Schalter wurden betätigt und schon hatten sie die gewünschte Ausschnittvergrößerung. Der Radiologe nahm den Bleistift aus dem Mund und pfiff anerkennend.
»Was ist?«, fragte Henry.
Joan drehte sich um, schob ihre Brille hinunter und sah ihn über den Rand der Gläser hinweg an. »Ein Loch.« Sie tippte an das Glas und meinte damit den dreieckigen Schatten auf der Ebene der Knochen. »Es ist nicht natürlichen Ursprungs. Jemand hat ihm den Schädel durchbohrt. Und aus der fehlenden Vernarbung schließe ich, dass der Vorgang kurz nach seinem Tod erfolgt ist.«
»Trepanierungen … Schädelbohrungen«, sagte Henry.
»So etwas habe ich schon früher gesehen. Überall auf der Welt. Doch die ausgedehntesten und kompliziertesten bei den Inka. Sie gelten in Hinblick auf Trepanierungen als die geschicktesten Chirurgen.« Henry gestattete sich einen Anflug von Hoffnung. Wenn der Schädel durchbohrt worden war, hatte er möglicherweise doch einen peruanischen Indianer vor sich.
Joan musste seine Gedanken gelesen haben. »Tut mir Leid, deine Hoffnungen zunichte zu machen, aber Trepanierung oder nicht, die Mumie hat ganz bestimmt keine südamerikanischen Vorfahren. Sie ist eindeutig europäischen Ursprungs.«
Einige Atemzüge lang fehlten Henry die Worte. Dann sagte er: »Bist … bist du ganz sicher?«
Sie nahm die Brille ab, steckte sie wieder in ihre Tasche und seufzte leise. Offenkundig war sie daran gewöhnt, unheilvolle Diagnosen zu überbringen. »Ja, ich würde sagen, er stammte aus Westeuropa. Vermutlich Portugal. Und mit ausreichend Zeit und weiteren Untersuchungen könnte ich unter Umständen sogar die genaue Provinz festlegen.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Henry.«
Er erkannte das Mitgefühl in ihrem Blick. Trotz aller Verzweiflung kämpfte er darum, die Fassung zu wahren, und starrte auf das Dominikanerkreuz in seiner Hand. »Er muss von den Inka gefangen genommen worden sein«, sagte er schließlich. »Und wurde am Ende oben auf dem Mount Arapa ihren Göttern geopfert. Wenn sein Blut an einem so heiligen Ort vergossen wurde, wären sie gezwungen gewesen, seine Überreste zu mumifizieren, Europäer hin oder her. Vielleicht haben sie ihm deswegen das Kreuz gelassen. Wer an einer heiligen Stätte starb, wurde geehrt, und es war ein Tabu, dem Leichnam Wertgegenstände zu rauben.«
Die Reporterin hatte sich eilig ein paar Notizen gemacht, obwohl sie ein Tonbandgerät dabei hatte, das die Gespräche aufzeichnete. »Das wird eine gute Story geben.«
»Eine Story vielleicht … möglicherweise sogar einen Zeitschriftenartikel oder zwei …« Henry zuckte mit den Schultern und versuchte ein schwaches Lächeln.
»Aber nicht das, worauf du gehofft hast«, beendete Joan seinen Satz.
»Eine interessante Kuriosität, mehr nicht. Sie wirft kein neues Licht auf die Inka.«
»Vielleicht wird deine Ausgrabung in Peru weitere interessante Funde hervorbringen«, meinte die Pathologin.
»Da besteht durchaus Hoffnung. Während wir uns hier unterhalten, graben mein Neffe und ein paar weitere Studenten in einer Tempelruine. Hoffentlich haben sie bessere
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