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Das Blut des Teufels

Titel: Das Blut des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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Baltimore, Maryland
    Professor Henry Conklins Finger zitterten leicht, als er die letzte Schicht Decken von seinem tiefgekühlten Schatz entfernte. Er hielt den Atem an. In welchem Zustand befände sich die Mumie nach der dreieinhalbtausend Kilometer langen Reise von den Anden? In Peru hatte er die gefrorenen Überreste sorgfältig in Trockeneis gepackt, aber während der langen Fahrt nach Baltimore hätte alles Mögliche schief gehen können.
    Henry fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare, die mittlerweile reichlich mit Grau durchsetzt waren. Immerhin hatte er vergangenes Jahr die Sechzig überschritten. Er hoffte inständig, dass sich seine letzten drei Jahrzehnte der Forschung und der Arbeit im Gelände jetzt bezahlt machten. Eine zweite Chance würde es nicht mehr geben. Der Transport der Mumie von Südamerika hierher hatte ihn fast die gesamten Forschungsgelder gekostet. Und heutzutage gingen neue Stipendien und Forschungsgelder ausschließlich an jüngere Wissenschaftler. Bei Texas A&M wurde er allmählich zum Dinosaurier. Natürlich, man verehrte ihn noch, nahm ihn aber trotz aller Hätschelei nicht mehr recht ernst.
    Doch seine kürzliche Entdeckung der Ruinen einer kleinen Inkastadt hoch in den Anden könnte alles ändern – insbesondere, wenn sie seine umstrittene Theorie bewies.
    Vorsichtig zog er das letzte Leinentuch weg. Der Nebel aus dem schmelzenden Trockeneis nahm ihm vorübergehend die Sicht. Er wedelte den Dunst beiseite und da tauchte die Gestalt auf: Die Knie waren an die Brust gezogen und die Arme um die Beine geschlungen, fast wie bei einem Fötus. Genau in dieser Haltung hatten sie die Mumie in einer kleinen Höhle nahe am schneebedeckten Mount Arapa entdeckt.
    Henry starrte seinen Fund an. Uralte, leere Augenhöhlen erwiderten seinen Blick. Strähnen glatten schwarzen Haars lagen noch immer um den Schädel. Die ausgetrockneten Lippen waren zurückgezogen und enthüllten gelb gewordene Zähne. Nach wie vor hafteten ausgefranste Überreste eines Leichentuchs an der zu Leder gewordenen Haut. Das Tuch war so gut erhalten, dass sogar die schwarze Farbe auf dem zerrissenen Stoff hell unter der Chirurgenlampe des Forschungslabors aufleuchtete.
    »O mein Gott!«, rief jemand neben ihm aus. »Das ist unglaublich!«
Henry fuhr ein wenig zusammen. Versunken, wie er war, hatte er die anderen im Raum völlig vergessen. Er wandte sich um und wurde vom Blitzlicht einer Kamera geblendet. Ohne die Nikon vom Auge zu nehmen, trat die Reporterin vom Baltimore Herald zurück und postierte sich für einen weiteren Schnappschuss. Ihr blondes Haar war zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgekämmt. Während sie weitere Fotos machte, fragte sie: »Wie alt würden Sie sie schätzen, Professor?«
Henry blinzelte, um die Funken vor den Augen zu vertreiben, und wich einen Schritt zurück, sodass die anderen einen Blick auf die Überreste werfen konnten. Zwei Wissenschaftler traten mit Untersuchungsinstrumenten heran.
»Ich … ich würde die Mumifizierung ins sechzehnte Jahrhundert datieren – vor etwa fünfhundert Jahren.«
Die Reporterin nahm ihre Kamera herab, ließ die zusammengekrümmte Gestalt auf dem CT-Tisch jedoch nicht aus den Augen. Etwas angewidert kräuselte sie die Oberlippe. »Nein, ich habe gemeint, wie alt war die Mumie bei ihrem Tod?«
»Oh …« Er schob sich die Drahtgestellbrille höher auf die Nase. »Etwa zwanzig … Genauer lässt sich das nach einer oberflächlichen Untersuchung nicht sagen.«
Eine zierliche Frau Ende vierzig mit dunklen Haaren, die ihr in seidigen Strähnen bis weit über den Rücken fielen, drehte sich zu ihnen um. Sie gehörte zum zweiköpfigen Ärzteteam. Sie hielt einen Zungenspatel in der Hand und hatte den Kopf der Mumie untersucht. »Er war bei seinem Tod zweiunddreißig«, stellte sie nüchtern fest. Dr. Joan Engel war Leiterin der forensischen Pathologie an der Johns Hopkins Universität sowie eine alte Freundin von Henry. Ihre Stellung hier war einer der Gründe, weshalb er die Mumie an die Johns Hopkins gebracht hatte. Sie führte ihre Feststellung weiter aus. »Seine Weisheitszähne, also die dritten Backenzähne, sind teilweise impaktiert, aber dem Grad der Abnutzung der zweiten Backenzähne und der fehlenden Abnutzung bei den dritten zufolge, müsste meine Schätzung mit einer maximalen Abweichung von drei Jahren zutreffen. Die CT-Untersuchung sollte das Alter noch präziser bestimmen können.«
Während sie sprach, leuchteten ihre Jadeaugen im Kontrast

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