Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
deshalb zeigen sie sich jetzt auf diese Art für Euch. Vor allem aber habt Ihr von mir mein stärkstes Talent erhalten … und damit kommen wir zurück zu dieser Göttin, die mir so die Ohren langzog. Kennt Ihr sie vielleicht? Groß, schwarz, bissig? Nein? Nun … vielleicht werdet Ihr einander ja begegnen. Sie ließ mich leben. Sagte ich ja schon. Ich fragte sie, warum. Sie sagte, sie bräuchte mein Talent noch genau zwei Mal. Ein Mal, um einer Unschuldigen die Seele zu rauben, damit sich der Kreis schließen könne, und dann, um es Euch zu geben. Das Talent, nicht die unschuldige Seele. Das war Helis, aber das wisst Ihr ja bereits. Sie mahnte mich zudem, mich ansonsten mit meiner Gier zurückzuhalten, mich auf das Essen und nicht auf Seelen zu konzentrieren und warf mich wieder in die Welt hinaus.« Er tupfte sich mit einem seidenen Tuch Hände und Mund vornehm ab. »Als Ihr über meine Schwelle tratet, wusste ich nicht, dass Ihr es wart, den sie meinte … ich verstand es erst, als Euer Schwert mich fraß.« Er lachte. »Irgendwie war es also doch Gerechtigkeit. Damit kommen wir zum Punkt. Wisst Ihr, was das Verfluchte an diesem Fluch ist? Es ist so einfach. Es braucht nichts anderes als das Talent, die Seelen zu sehen … was Ihr seht, könnt Ihr auch ergreifen. Die Größten unter uns brauchen keine Folter, keine Schmerzen, müssen ihr Opfer nicht mühsam quälen, bis der Lebenswille erlischt und sie sich aufgeben. Nein … wir gehen hin, sehen eine Seele …« Er tat eine Handbewegung, die etwas in der Luft ergriff, »greifen sie …« Er führte die Hand zum Mund. »Und schon ist sie gefressen. So einfach ist das. Ihr solltet es einmal ausprobieren.«
Ich befand mich wieder in dem dunklen Raum, vor mir Kayla, die ihre Seele dem Nekromantenkaiser gegeben hatte, damit sie mehr werden würde. Er hatte sie gelehrt, nach Seelen zu greifen, und dieser dunkle violette Schein war ihr Griff nach mir, der mich lähmte, an mir zog und zerrte.
Da ich jetzt verstand, wie man es tat, und sie mich fressen wollte, fraß ich also sie.
Einen Moment lag ich da, dann raffte ich mich auf, schickte einen Funken auf die Suche nach einem Docht … er fand eine alte, verrostete Laterne mit einem Stummel darin und zündete sie an. Damit fand ich Seelenreißer, er hatte die ganze Zeit neben mir gelegen.
Dort an der Wand rührte sich allmählich auch Sarann, doch meine Aufmerksamkeit galt dem blutigen, zitternden Leib vor mir, dem einer jungen Sera mit der blassen Haut und dem dunklen Haar, das ich von Thalaks Anhängern kannte. Sie sah aus, als hätte jemand Stücke aus ihr herausgerissen, vor allem in ihrer Schulter klaffte ein tiefer Spalt, der ihr fast den Arm abtrennte, kein Wunder, dass sie es brauchte, sich an mir zu laben. Das Schlimmste aber waren die leeren Augen, und dass sie sabberte wie ein kleines Kind.
Orduns verfluchte Gabe war in der Tat mächtig, er brauchte dafür noch nicht einmal zu morden. Auch als er sich damals Helis’ Seele gegriffen hatte, war ihr Körper unversehrt zurückgeblieben.
Von draußen hörte ich ein kurzes Handgemenge, dann einen erstickten Schrei, dann rief jemand meinen Namen, viel Zeit blieb mir also nicht.
Ich beugte mich über Kolarons treue Dienerin und … griff in mich hinein, suchte und fand, was mir da so schwer im Magen lag, spie es aus … und drückte ihre Seele wieder in sie hinein. Ihre Augen weiteten sich, als sie verstand, was hier geschah, sie schrie voller Angst und Schrecken auf, doch dann nagelte ich sie mit Seelenreißer an den Boden und erstickte so den Rest von ihrem Schrei.
Wer immer hier in den Tiefen der Kanalisation diese Tür eingesetzt hatte, wusste, was er tat. Zwar war der Stahl leicht angerostet, doch die drei Angeln und der schwere Riegel waren noch stabil. So hielt sie den ersten Schlag aus, auch wenn sie sich verformte und eine ihrer Angeln brach, aber Ragnars zweiter Schlag mit seiner Axt war dann doch zu viel, sie flog aus ihrem Rahmen, streifte mich fast noch dabei und fiel laut scheppernd vor der Wand zu Boden.
»Hier ist er!«, rief Ragnar, als er mich über Sarann knien sah. Dann fiel sein Blick auf das, was von Seelenreißer aufgespießt am Boden lag. »Und wen hast du da jetzt schon wieder erstochen?«
»Du erinnerst dich vielleicht an sie«, meinte ich erschöpft, während ich Saranns Fesseln löste. »Du hast sie in Borons Tempel fast entzweigeschlagen.«
»Der Mann war Meister Herwig. Ein angesehener Bankier«, erklärte mir Lenere
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