Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
schütteln wollte. »Etwasch fällt mir doch noch ein, er hatte einen Wangenbart, schauber geschtutscht, wie mit der Schnur geschogen! Und Ihr habt ihn Schtabsmajor genannt!«
»Ich glaube«, sagte Serafine langsam, »ich kenne diesen Mann, den unser Pirat da beschreibt. Doch wie er Leandra helfen soll, wenn selbst Asela es nicht gelang … oh«, fügte sie dann leise hinzu. »Ich glaube, ich verstehe doch.« Sie beugte sich herunter und riss den blutigen Marcus mit überraschender Kraft hoch, um ihm einen Kuss zu geben. »Ihr seid ein Genie!«, rief sie, ließ ihn wieder fallen und eilte so schnell davon, dass sie vergaß, die Tür hinter sich zu schließen.
Während ich ihr verdutzt nachsah, beugte sich Ragnar zu dem Piraten hin, der noch ganz benommen war. Ob von dem Kuss oder von dem harten Aufprall, als sie ihn hatte fallen lassen, konnte ich nicht sagen.
»Sag mal«, meinte Ragnar jetzt zu dem Piraten. »Du weißt schon, dass du eben die Geliebte des Lanzengenerals geküsst hast?«
»Isch?«, protestierte der blutige Marcus erschreckt, und seine Augen weiteten sich, als Ragnar ein Ausbeinmesser aus seinem Stiefel zog und damit herumzuspielen begann. »Aber dasch war doch schie … ich habe nischts …«
»Hör auf, mit ihm zu spielen«, sagte ich müde und ging zur Tür, um sie zu schließen. »Wenn er dazu verhelfen kann, dass Leandra aus ihrer Trance erwacht, küsse ich ihn vielleicht noch selbst dafür.«
»Dasch wird ganz beschtimmt nischt nötig schein«, meinte der Pirat jetzt hastig. »Die Begnadigung ischt mir genug!«
Obwohl das Tor erlaubte, die Kaiserstadt mit nur einem Schritt zu erreichen, dauerte es fast drei Glocken, bis es kurz nach Sonnenaufgang an der Tür zu Leandras Zimmer klopfte und Serafine zusammen mit dem Mann die königlichen Gemächer betrat, den der Pirat uns beschrieben hatte. Anders als in seiner eigenen Vision, hatte ich mich dazu entschieden, den Piraten nicht dabeizuhaben, er schmorte, gut verknotet, in einer Kerkerzelle. Erfüllte sich seine Vision, würde er leben. Und begnadigt werden. Wenn nicht …
»Das ist Stabsmajor Perdus«, stellte Serafine den Mann mir vor. »Ehemals von der einundzwanzigsten Legion. Wir haben ihn mit anderen vor Lassahndaar aufgegriffen.«
»Ein Überläufer«, nickte ich.
»Aye, Ser«, sagte der Major und musterte mich nicht minder sorgsam als ich ihn. »Nur dass ich nicht übergelaufen bin, so wie ich es sehe, war ich schon immer auf Eurer Seite.«
»Und Ihr besitzt das Talent, dass Ihr nicht durch Magie beeinflusst werden könnt?«
»So ist es. Sie existiert für mich nicht.« Er lächelte schief. »Es sei denn, Ihr lasst einen Stein über mir schweben und lasst ihn wieder los, den werde ich dann schon bemerken.«
»Was ist mit dem Willen der Götter?«, meinte Zokora von dort, wo sie saß, und legte ihr Buch zur Seite, um den Mann sorgsam anzusehen. Der wurde bleicher, als er erst sie und dann auch Varosch im Schatten stehen sah.
»Das weiß ich nicht, Euer Hochgeboren«, stotterte der Mann und sah fast panisch zu Serafine hin. »Was macht sie hier?«, fragte er ängstlich. »Ich dachte …«
»Sie dient Astarte und nicht dem dunklen Gott«, sagte Varosch ruhig. »So wie ich Boron diene. Erzähle eine Lüge.«
»Was soll ich?«, fragte der Mann verwirrt.
»Erzähle eine Lüge«, wiederholte Zokora und stand auf, um näher an ihn heranzutreten. »Du hast es verstanden, taub bist du ja nicht.«
»Ich …« Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn. »Eine Lüge … was denn?«
»Irgendetwas«, schlug Varosch höflich vor.
»Ich bin eine Frau?«
Zokora zog eine Augenbraue hoch und wandte sich dann langsam Varosch zu, um ihn fragend anzusehen.
Der schüttelte den Kopf.
»Abgesehen davon, dass er es ganz offensichtlich nicht ist, kann ich nichts erkennen.« Er sah nachdenklich zu Serafine hin. »So weit ist es die Wahrheit, er wird von Magie nicht berührt. Er steht sogar außerhalb der Götter … insofern war es nutzlos, dass er, wie du sagst, vor Soltar abgeschworen hat.«
»Aber ich achte die Götter!«, rief der Mann entsetzt und griff in die Tasche seiner Uniform, um eine alte Sonnenscheibe hochzuheben. »Seht Ihr!« Er küsste sie hastig. »Da! Ich stehe zu Soltar, er ist der Herr des Lichts, das mich vor der Dunkelheit bewahrt!«
Der Mann erschien mir wie ein Krieger und durchaus nicht leicht einzuschüchtern. Dass allein der Anblick zweier dunkler Elfen ihn so aus dem Ruder warf, gab mir einen Hinweis
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