Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
euch, der mir die Treue schwören würde und es in seinem Herzen meint? Sodass auch Bruder Tarmus keine Falschheit in eurem Herzen mehr entdecken kann?«
»Ich!«, rief der eine. »Ich!«, ein anderer. »Und ich«, sagte die alte Sera leise. »Selbst wenn Ihr meinen Sohn erschlagen habt …«
»Habe ich?«, fragte Leandra erstaunt.
»Ja. Der dort«, meinte sie und wies mit ihrem Blick zu Graf Render hin, in dem Steinherz noch immer steckte, »war mein Ehemann, und ich schäme mich für ihn und meinen Sohn.«
Leandra sah ungläubig zu Lenere hin. Die stand auf. »Die ganze Familie wusste von der Verschwörung«, sagte sie laut und vernehmlich und deutete anklagend auf die alte Sera. »Auch du, Lisette.«
»Das ist wahr«, entgegnete diese und ließ den Kopf hängen. »Ebenso wahr ist, dass ich zu ängstlich war, um mich gegen ihn zu stellen. Und dass ich mich schäme. Umso mehr, als ich erfuhr, dass die Königin bestimmt hat, dass meine jüngste Enkeltochter dem Beil entgehen würde.«
Neben ihr nickten die beiden anderen Seras, die Jüngste unter ihnen und eine andere, die der Jüngsten so sehr glich, dass sie ihre Mutter sein musste. »Wir schämen uns alle«, sagte die junge Sera unter Tränen. »Aber wir … wir hatten einfach zu viel Angst. Vor ihm«, fügte sie verächtlich hinzu und bedachte ihren Großvater mit einem Blick, den dieser gewiss bis vor Borons Waage spüren würde.
Das ganze Feuer, das Leandra eben noch gezeigt hatte, verlosch. Müde griff sie sich an die Stirn und tat eine Geste zu den Wachen hin.
»Lasst sie gehen«, sagte sie erschöpft. »Nehmt ihnen die Fesseln ab und führt sie zum Haus Borons, dort sollen sie schwören. Und Ihr«, meinte sie zu dem Aldanen, »könnt nach Hause gehen. Ich bezweifle, dass wir Eure Kunst noch brauchen.«
»Aber ich habe meine scharfen Messer gar nicht vorgeführt …«, protestierte dieser, um es sich angesichts ihres lodernden Blickes gleich anders zu überlegen und sich schweigend zu verbeugen.
Leandra ließ Steinherz stecken, wo er war, und kam zu uns auf die Plattform. »Wir sollten gehen«, sagte sie, dann drehte sich doch noch einmal um und wandte sich an die Menschenmenge, die alles schweigend und ungläubig mit angesehen hatte.
»Es ist das Recht der Krone«, sagte sie müde aber deutlich, »die zu richten, die sich an ihr und dem Gesetz der Götter vergehen. Es ist mein Recht, Verräter zu strafen, sie der Tortur zu unterziehen, sie bis an Soltars Tor zu schinden. Es ist auch mein Recht, ihnen Gnade zu gewähren.« Sie wies auf Fitz, der noch immer ungläubig dastand und zusah, wie man ihm die Fesseln löste. »Er war es, der mir bewies, dass es auch unter Fehlgeleiteten Männer mit Mut und Anstand geben kann. Der Feind hat unser Land verwüstet, wir brauchen jeden guten Mann … und so ließ ich ihn frei … und mit ihm die anderen. Wer aber nun denkt, dass dies ein Freibrief sei, der irrt. Wer sich von euch an mir, den meinen oder an den Göttern vergeht, den trifft meine Gerichtsbarkeit. Das schwöre ich im Namen aller Götter. Und nun geht … Es gibt hier nichts mehr zu sehen.«
Es begann leise, doch dann fielen immer mehr mit ein, bis ihr Name immer lauter gerufen wurde und er von den hohen Mauern brandete.
Während Leandra ungläubig auf die Menge starrte, die ihren Namen rief und sie hochleben ließ, trat die Herzogin an sie heran.
»Ich hätte anders befunden«, sagte sie leise und nahm ihre Hand. »Dennoch … gut gemacht, mein Kind.«
Leandra nickte müde und sah zu Ser Yoshi hin, der sich auf seidenen Schuhen zu ihr gesellt hatte.
»Was gibt es, Ser Yoshi?«, fragte sie erschöpft.
»Nichts weiter, Hoheit«, lächelte der. »Nur dass ich genug gesehen habe und nun von Euch meinen Abschied nehmen werde.« Er schlug sein Kleid zur Seite, zeigte darunter weiße Seidenhosen und ging vor allen Leuten sorgsam auf beide Knie herab und dann mit dem Kopf herunter, bis die blank rasierte Stirn vor Leandras Stiefeln die Bretter des Podests berührte … wobei mir auffiel, dass sein Zopf auch dabei gerade wie ein Strich verlief.
Während Leandra noch sprachlos auf ihn herabsah, stand er in einer flüssigen Bewegung wieder auf.
»Man sagt, Schilf biegt sich im Wind, doch manchmal ist auch Wind scharf wie eine Sense. Doch die Brise, die den Sommer und die Blüten mit sich trägt, wird weitaus mehr geschätzt.«
Mit diesen Worten lächelte er ein letztes Mal in die Runde und ging davon. Wir schauten ihm nach, wie er durch die
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