Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
noch ehe sie die letzte Meile des Pfades zwischen den wuchtigen Bäumen zurückgelegt hatten, und traten auf die Lichtung und in den beißenden Dunst, der über den verkohlten Resten des Hauses hing. Nur der steinerne Schornstein und ein Teil der Rückwand standen noch aufrecht in der Asche. Der Stall war unversehrt, doch der Schweinepferch stand offen und die Schweine waren fort. Die Brüder glitten von den Maultieren, schritten behutsam durch die Ruinen und traten gegen die größeren Klumpen verkohlten Holzes. Sie prüften die Asche genau und stießen auf die schaftlosen und verbogenen Überreste der Kentucky-Büchse und des kleineren Hawken, fanden aber keine Spuren von Leichen. Sie sahen sich an, und Johns Gesicht war blass und angespannt, doch Edward verspürte nur eine seltsame Erregung, die er nicht benennen konnte. Der leichte Whiskeykater in seinem Schädel war einer fiebrigen Neugier gewichen und einem Gefühl, dass sein Leben bereits grundsätzlich verändert worden war, mehr als er ahnte.
»Jungs.«
Ihre Stimme erklang hinter ihnen und sie drehten sich um und entdeckten ihre Mutter, die am Waldrand stand. John flüsterte: »Verflucht«, als er sie sah. Ihr Gesicht war zerschlagen und ein Auge blau angeschwollen. Ihre Haare waren wirr zerzaust, und der obere Teil ihres Kleides war zerrissen. Sie breitete die Arme weit aus, als wollte sie sie an ihre Brust drücken, und das zerrissene Kleid teilte sich, sodass eine bleiche Brust und die dunkel vernarbte und verdrehte Brustwarze entblößt wurden.
»Er hat sie umgebracht«, sagte sie. Ihre Augen waren weit aufgerissen und schienen auf irgendein erinnertes Entsetzen gerichtet zu sein. »Er hat sich zu ihr gelegt, jawohl! Er hat seine eigene
Tochter
geschändet. Er hat bei ihr gelegen, sag ich! Und sie hat gedroht, sie würde es sagen, würde es ihren Brüdern sagen –
euch
sagen —, und er hat sie
umgebracht
und den Alligatoren zum Fraß vorgeworfen. Das hat er!
Hat
er!«
Edward sagte: »Was zum
Teufel
, Frau!« Er war überzeugt, sie war völlig verrückt geworden. Doch Johns Augen waren so weit aufgerissen und verzweifelt wie die der Frau und seine Fäuste bebten an seiner Seite, und Edward fand seinen Anblick schrecklicher als die verrückten Worte der Frau.
Sie kam ihnen langsam mit ausgestreckten Armen entgegen, redete schnell und atemlos. »Das hat er mir selber
gesagt
! Als ihr weg wart. Hat’s mir gesagt und hat mich ausgelacht und mich geschlagen und gesagt, er bringt mich auch um, und hat gesagt, ich hätt versucht, ihn im Schlaf zu ermorden. Hat mich ans Bett gebunden und geschlagen. Hat sich selber geschnitten, damit er euch zeigen kann, wie ich versucht hab, ihn zu töten. Aber ich hab mich losgerissen und bin weggerannt und hab mich im Wald versteckt und auf euch gewartet und gewartet, und er hat das Haus angezündet und ist im Wald herumgestapft und hat mich gejagt und er … o lieber Gott.«
Ihr Blick war auf etwas hinter ihnen gerichtet, und ihre Arme schlossen sich fest vor ihren Brüsten. Sie drehten sich um und sahen Daddyjack von der anderen Seite mit dem großen Hawken in der Hand aus dem Wald auf sie zuhumpeln. Seine Hose war zwischen den Beinen rot gefärbt und er sah die Brüder nicht an, sondern nur die Frau, während er jetzt heranstolperte und sie eine teuflische Hure schimpfte. Die Frau winselte und wich mit steifen Schritten zu den Bäumen zurück. Daddyjack blieb stehen, riss das Hawken hoch und feuerte. Die Kugel ging zwischen den Beinen der Frau hindurch, wölbte den Rock ihres Kleides und zog sie hinab.
Jetzt rannte John mit seinem Messer in der Hand heulend auf Daddyjack zu und Edward lief hinter ihm her und rief, dass er stehen bleiben soll. Daddyjack beobachtete, wie sie näher kamen, dann schwang er das Hawken beim Schafthals und erwischte John mit dem Lauf an der Schulter, sodass dieser auf Hände und Knie zusammensackte. Seine Augen waren wild, als er mit beiden Händen das Hawken beim Lauf packte und mit hoch überm Kopf erhobenem und in eine Keule verwandelten Gewehr auf John zuging. Edward schrie: » NEIIIIIN !« Die Pistole war in seiner ausgestreckten Hand mit gespanntem Hahn auf ihn gerichtet, der Schuss löste sich mit einem trockenen Knall und einem kleinen Rauchwölkchen, und die Kugel durchdrang Daddyjacks linkes Auge und trat in einem blutigen Gesprüh von Hirn und Knochen hinter seinem rechten Ohr wieder aus. Er fiel der Länge nach auf den Rücken, die Arme weit ausgestreckt, die Zähne gebleckt,
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