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Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
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was meinst du?«
    Edward sah ihn nicht an. »Weiß nicht.«
    »Verdammt noch mal«, flüsterte John. Und dann, nach einer Weile, sagte er: »Das war ein verdammt guter Schuss.«
    Edward sah ihn an. »Hab gar nicht gezielt. Das war reine Glückssache.« Er schnitt eine Grimasse und spuckte grimmig aus. »Scheiße!
Glück
ist ja wohl kaum das richtige Wort.«
    »Für mich schon«, sagte John. »Das größte Glück, das mir je passiert ist.« Er hielt inne und bohrte mit einem Stock vor sich in der Erde. »Du hast keine Wahl gehabt. Das weißt du.«
    Edward zuckte die Achseln.
    »Er oder ich.«
    Edward starrte in die Flammen.
    »Er war drauf und dran, mir den Schädel einzuschlagen.«
    Edward spuckte ins Feuer und sagte: »Schätze schon.«
    »Du kannst schätzen, so viel du willst, aber das stimmt. Wenn du ihn nicht erschossen hättest, dann hättest du
mich
da jetzt begraben.«
    Seine Stimme klang angespannt, und Edward warf ihm einen Blick zu und sah, dass sein Gesicht im Schein des Feuers unnatürlich bleich war. Sie sahen zu, wie das Feuer langsam niederbrannte. Die Dunkelheit legte sich enger um sie.
    »Auch wenn’s dir jetzt leidtut«, sagte John, »also, ich weiß, du hast es nur meinetwegen getan.«
    Edward atmete hart aus. »Du brauchst nix mehr drüber zu sagen.«
    »Das weiß ich. Wollt nur
das
sagen.«
    »Gut, du hast es gesagt.«
    »Gut.«
    Edward wusste sehr wohl, dass geschehen war, was geschehen war, und dass es nie ungeschehen gemacht würde, durch keine Macht auf Erden. Ganz gleich, wie sehr sein Bruder sich selbst die Schuld gab, und ganz gleich, wie viel sie darüber redeten, und ganz gleich, was er für den Rest seines Lebens tun würde, nichts davon würde jemals etwas an der Tatsache ändern, dass er die Kugel abgefeuert hatte, die ihrem Daddy das Gehirn aus dem Schädel geblasen hatte. Es war eine Wahrheit, so unveränderbar wie sein Blut und seine Knochen, und daran war nicht zu rütteln, weder jetzt noch sonst irgendwann.
    Er spürte noch etwas anderes, etwas, das er nicht benennen konnte. Es hatte mit der Art zu tun, wie ihre Mutter sie angesehen hatte, als sie Daddyjacks Leiche davontrugen.
    Nach einer Weile gingen sie in den Stall, machten sich aus dem Stroh ein Lager, zogen ihre Stiefel aus und legten sich hin. Beide schwiegen eine Weile, dann sagte Edward: »Ich kann nicht glauben, dass er sich so geschnitten hat. Nicht so.«
    »Ich glaube, er ist verrückt geworden«, meinte John. »Er hat ja immer gesagt, wie verrückt Mama und Maggie sind, aber kann sein, dass er verrückter geworden ist, als die beiden es jemals waren.«
    »Man muss schon scheißverrückt sein, um sich so zu schneiden.«
    »Vielleicht war er’s ja.«
    »Ich weiß nicht. Kann sein.«
    Sie lagen schweigend da, doch keiner von beiden schlief ein.
    John sagte: »Wo sie wohl hin is?«
    Edward überlegte eine Minute. »Zur Hölle, würde ich sagen.« John setzte sich auf und spuckte aus. »Na dann«, sagte er, »haben wir ja ’ne verdammt gute Chance, dass wir sie wiedersehen, stimmt’s?«
    12 Und jetzt, im ersten grauen Licht des Tages, schnitzte Edward bedächtig mit dem Schnappmesser in die Rinde des Stumpfs neben dem Stall. Er war fertig, gerade als sich der Himmel zu röten begann und John aus einem unruhigen Schlaf erwachte. Sie rollten ihre Decken auf, verschnürten sie fest, hängten sie sich über den Rücken wie Pfeilköcher und legten die restlichen Eier in einen Jutesack. Bewaffnet mit dem Hawken, der Pistole und ihren Messern brachen sie zum westlichen Pfad auf. John hielt am Waldrand inne und sah zu dem ausgebrannten Haus. Doch Edward blickte nicht zurück. Er war sechzehn Jahre alt, sein Blut war ruhelos, und er hatte seinen Abschied in den Baumstumpf neben dem Stall geschnitzt: »W.N.T.« Weg nach Texas.

II

DIE BRÜDER
    1 Sie wanderten flussaufwärts und erreichten die Furt am folgenden Nachmittag und wateten von dort aus durch den Perdido nach Alabama. Sie gingen bis Sonnenuntergang und schlugen ihr Lager bei einem Weidenbach auf. Sie machten ein Feuer und verzehrten einsilbig die letzten gekochten Eier, dann wickelte sich jeder in seine Decke und schlief ein. Am nächsten Tag setzten sie auf einem Holzfällerkahn über den Tensaw über, und ein paar Meilen weiter westlich bezahlte jeder zehn Cent, um den Mobile auf einer Rollseilfähre zu überqueren. Violette Gewitterwolken türmten sich südlich über dem Golf. Der Duft des Meeres vermischte sich mit dem Geruch von reifem, schwarzem Auenland und

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