Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
gewohnt, dass sie miteinander rangelten. Aber diese Woche war absolut nicht der passende Zeitpunkt, sich eine bescheuerte Football-Verletzung zuzuziehen.
Normalerweise liebe ich Mikes lockere, aber erfolgreiche Art, das Leben an der Highschool zu bewältigen – vor allem weil er auch mich dadurch im Gleichgewicht hält. Aber Mikes Platz auf dem Thron hätte eigentlich genauso leicht errungen werden sollen wie mein eigener. Wenn er sich nur ein winziges bisschen angestrengt hätte – und wenn Justin Balmer nicht gewesen wäre.
Ich neigte mich über den Papierstapel, in dem Rex’ Lakai immer noch herumblätterte.
»Wenn ich du wäre, würde ich mal J. B.s Plakate durchzählen«, riet ich ihm, bevor ich weiter den Gang entlangschwebte.
Von allen Plakaten, mit denen die Wände tapeziert waren, waren die von Justin die, die mich am meisten aufregen würden; deshalb hatte ich mir geschworen, sie mir gar nicht erst anzusehen. Ich hatte den Waschraum der Elftklässlerinnen auch schon fast sicher erreicht, als ich plötzlich J. B.s Inkarnation in Pappe sah und wie angewurzelt stehen blieb.
Das Bild zeigte Justin braun gebrannt und mit nacktem Oberkörper auf einem seiner Boote in der Marina seines Vaters unten in Folly Beach. Und nein, es war wirklich kein unattraktives Bild. Der intensive Blick aus den tiefgrünen Augen ließ mich sogar beinahe stolpern. Als ich genauer hinsah, erkannte ich auch das Boot. Ich hatte einmal einen endlosen Abend darauf verbracht, damals … nun ja, damals, als alles noch anders gewesen war.
Justin Balmer , stand auf dem Plakat, vor achtzehn Jahren als Prinz geboren.
Wohl eher als Möchtegernprinz. Ich hatte auf die harte Tour erfahren, dass hinter J. B.s hübscher Fassade nicht das Geringste steckte. Es gab weit und breit keinen größeren Heuchler – und das wollte in Palmetto etwas heißen. Ich betrachtete das Bild stirnrunzelnd und fragte mich, welche Bambi-Schlampe es gemacht hatte, und wann.
»Ich dachte, du hättest die Götzenanbetung aufgegeben.« Justin lehnte an der Wand und zwinkerte mir mit diesen grünen Augen zu. Er roch wie immer – nach Kiehl’s Aftershave und frisch gemähtem Gras.
Unbeeindruckt deutete ich auf das Plakat. »Ich hab nur sehen wollen, ob das Dreck oder ein riesiger Leberfleck auf deiner Brust ist. Hast du zugenommen?«
»Netter Versuch, Nat«, erwiderte er leise. »Aber ich glaube, wir beide kennen gegenseitig alle unsere reizenden kleinen geheimen Makel.«
Er strich mir über den Rücken, knapp unter dem Bund meiner Jeans.
Ich stieß ihn gegen die Schließfächer und sah mich dann schnell um, ob jemand in der Nähe war. Ich wollte nicht, dass jemand sah, wie ich J. B. in aller Öffentlichkeit eine langte. Glücklicherweise war der Einzige, der sich im Gang aufhielt, Ari Ang, der mit einem Becherglas mit irgendetwas Grünem vorbeieilte.
»Ich habe nichts gesehen!«, verkündete er hastig und versteckte seine Riesenbrille hinter dem Becher. »Ich bin auf dem Weg zu Chemie …« Seine Stimme verhallte und ich wandte mich wieder Justin zu.
Früher hätten wir über die ständige Becherschlepperei von Ang lachen müssen. Aber jetzt hätte ich Justin am liebsten meinen frischen Kaugummi ins Gesicht gespuckt. Doch ich schluckte diesen bitterbösen Gedanken herunter und zwang mich zu einem Lächeln.
»Oooh«, säuselte ich. »Wie süß, dass du immer noch glaubst, dass deine – wie beliebtest du dich auszudrücken – reizenden kleinen Makel geheim sind.« Ich ließ meinen Blick absichtlich lange auf seinem Schritt haften, bevor ich meinen Kaugummi in die Hand spuckte, ein Stück des Justin-Plakats abriss und die gelbe Kugel hineinwickelte.
»Keine Sorge«, fuhr ich fort, »meine Lippen waren versiegelt. Aber wenn du wirklich etwas über dich erfahren willst, solltest du dich mal ins Bambi-Blog über dich hacken – und dich vielleicht nicht mehr ganz so viel herumtreiben. Diese Mädchen sind gnadenlos. Bis dann!«
Justin packte mich am Arm und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. »Hey, Nat, komm schon!«
»Was, komm schon?«
»Glaubst du nicht, dass man sich ändern kann?«, fragte er so leise, dass ich angestrengt hinhören musste.
Ich stand einfach da. Ich kannte die Antwort wie meinen eigenen Namen. Sie lautete Nein. Aber ich brachte es nicht fertig, etwas zu sagen. Schließlich begnügte ich mich damit, meinen Arm wegzuziehen und in den Waschraum der Elftklässlerinnen zu schlüpfen. Drinnen lehnte ich mich an die Wand und versuchte,
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