Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
dass es jemand auf ihn abgesehen hat?«, fragte ich und versuchte möglichst unauffällig, meine Stirn zu glätten.
Doch bevor Tracy antworten konnte, krachte mit apokalyptischer Gewalt ein Donnerschlag, und sämtliche Mädchen rannten zum Fenster.
»Oh mein Gott!«, kreischte Liza auf, als draußen ein heftiger Hagelsturm zu toben begann. »Wir haben die Banner auf dem Parkplatz gelassen! Das ist Tempera-Farbe! Die ist total schnell ruiniert!«
Augenblicklich geriet der Waschraum der Elftklässlerinnen in Bewegung. Die Hippiemädchen waren wohl nicht immer im Einklang mit Mutter Natur. Alle stopften schnell ihre Massageöle wieder in die Leinenbeutel, damit sie die salbungsvollen Banner vor den tobenden Elementen retten konnten.
Auf dem Weg nach draußen nahm mich Tracy am Ellbogen.
»J. B. weiß nichts davon«, sagte sie. »Und wahrscheinlich ist es am besten, wenn es auch so bleibt, du verstehst?«
Dann liefen sie und ihre Freundinnen hinaus und nahmen ihren eigenen Sturm mit sich. Das einzige Lebenszeichen, das sie im leeren Waschraum hinterließen, war die hin und her schwingende Tür zum Gang – die mit dem Poster von J. B. darauf.
Glaubst du nicht, dass man sich ändern kann?
Die Frage hallte mir immer noch in den Ohren. Aber ich hatte sie schon zu oft gehört. Deshalb strich ich mit der Hand über J. B.s Plakatgesicht, wie sie es im Film immer machen, wenn sie einem Toten die Augen schließen.
Dann sah ich mich schnell im leeren Gang um, riss das Plakat von der Tür, faltete es fein säuberlich zusammen und warf es in den Papierkorb. Mein eigenes elftes Schuljahr war noch nicht so lange her, als dass ich vergessen hätte, wie Voodoo funktioniert.
2 Der Hochsinn meiner Zunge
»Ich hatte einen absolut katastrophalen Tag«, verkündete ich am Abend, als ich meinen Rucksack von der Schulter nahm und ihn in Mikes Zimmer auf die Fensterbank warf.
Er stand in der Tür und wrang sein regennasses Footballtrikot aus, doch als ich mich aus meiner feuchten Jeans wand – gerade langsam genug, um ihm eine kleine Show zu bieten –, sah ich in der Spiegelung der Fensterscheibe, dass er sofort aufmerksam wurde.
»Definiere katastrophalen Tag«, verlangte er und trat einen Schritt auf mich zu. Das Zimmer lag im Halbdunkel, nur erhellt von der Nachttischlampe und dem diffusen weißen Licht, das durch das Fenster vom Golfclub hereinfiel. Mike strich mir mit dem Handrücken über das Bein und schenkte mir sein sexy schiefes Lächeln. »War es ein Ich-hab-mir-in-der-Imbissbude-eine-Lebensmittelvergiftung-zugezogen-katastrophaler-Tag oder war er einfach nur ein bisschen katastrophaler als der absolut-katastrophale-Tag gestern?«
»Du machst dich über mich lustig«, beschwerte ich mich und wandte mich ab, um den sorgfältig gepflegten Rasen am dreizehnten Loch und die üppige geschwungene Reihe von Bäumen hinter dem Golfplatz zu betrachten. Am Himmel zogen sich grünlich graue Wolken zusammen und drohten jeden Augenblick wieder Regen auszuspucken.
»Du hast eindeutig zu viel an, um ernst genommen zu werden«, erwiderte Mike und zog mich an sich. Er zupfte an dem schwarzen Rollkragenpullover, den ich noch trug.
»Warst du nicht diejenige, die diese goldene Regel aufgestellt hat?«, erinnerte er mich neckend und küsste bei jedem Wort meinen Hals. »Nichts. Als. Die. Nackte. Wahrheit.«
Ich verdrehte die Augen, zog aber den Pulli über den Kopf. Es war kühl im Raum, und ich spürte, wie sich meine Arme mit Gänsehaut überzogen. In meinem schwarzen Lieblings-Unterwäscheset streckte ich mich diagonal auf dem Kingsize-Wasserbett aus und rollte mich dann auf den Bauch, sodass Mike über mich hinwegklettern musste, wenn er sich zu mir legen wollte.
»Die Wahrheit kann warten.« Ich deutete auf meinen Nacken. »Jetzt ist erst mal eine Massage fällig. Ich hab da eine Verspannung, die ist so groß wie Georgia, genau … ja, daaa !«
Mike hatte sich bis auf seine karierte Boxershorts ausgezogen und kauerte wie ein Masseur über mir. Ich schloss die Augen und konnte zum ersten Mal an diesem Tag richtig durchatmen.
Nachdem ich von Tracy erfahren hatte, wie dicht wir tatsächlich vor dem Sieg standen, hatte ich versucht, den Rest des Schultags irgendwie hinter mich zu bringen, und mich immer mehr in die Überlegung hineingesteigert, wie ich uns den Sieg sichern konnte. Aber Mikes Hände an meinem Nacken, ihre Kraft und Sicherheit, hatten etwas Beruhigendes. Sie machten mich lockerer. Ich dachte an den Moment, als ich
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