Das Bourne Imperium
Dann hob er die kleine Taschenlampe auf und steckte sie sich an seine rechte Vordertasche. Jetzt war ein langes Band übergroßer chinesischer Knallfrösche an der Reihe; er hatte sie mit einem Gummiband zusammengehalten und verwahrte sie mit drei Streichholzbriefchen und einer kleinen Kerze in der linken Vordertasche. Am schwierigsten unterzubringen
war ein Drahtschneider von der Größe einer Zange. Er schob sie mit dem Kopf voraus in die linke Hüfttasche, sodass sich die zwei kurzen Handgriffe gegen den Stoff pressten und das Werkzeug festhielten. Schließlich griff er nach einem eng zusammengewickelten Haufen Kleider, und zwar so eng gewickelt, dass das Ganze nicht umfangreicher war als ein Nudelholz. Das drückte er sich gegen die Wirbelsäule, zog das Gummiband um seine Hüfte und verhakte die Schließen ineinander. Vielleicht würde er die Kleider nie brauchen, aber er durfte nichts dem Zufall überlassen – dazu war er zu nahe am Ziel!
Ich werde ihn bekommen, Marie! Ich schwöre dir, ich hole ihn mir, und dann werden wir wieder unser Leben haben. Ich bin es, David, und ich liebe dich so! Ich brauche dich so!
Hör auf damit! Es gibt keine Leute, nur Ziele. Keine Emotionen, nur Zielpersonen und Männer, die eliminiert werden müssen, weil sie im Wege stehen. Ich brauch dich nicht, Webb. Du bist weich, und ich verachte dich. Du musst auf Delta hören – auf Jason Bourne!
Der Killer, der gezwungenermaßen ein Killer geworden war, vergrub den Beutel mit seinem weißen Hemd und der Tweedjacke und richtete sich zwischen den Fichten auf. Seine Lungen schwollen bei dem Gedanken an das an, was ihm bevorstand. Ein Teil von ihm war unsicher und verängstigt, der andere wütend und eiskalt.
Jetzt setzte Jason sich in Bewegung, ging in nördlicher Richtung auf die Kurve zu, dabei den Schutz jedes einzelnen Baumes ausnützend, so wie er das vorher auch getan hatte. Er erreichte den Wagen, der mit dem auf dem Dach festgeschnallten Fahrrad an ihm vorbeigefahren war; er parkte am Straßenrand, und unter der Windschutzscheibe war ein großes Schild festgeklebt. Er schob sich näher heran und las die chinesischen Schriftzeichen und lächelte dabei.
Dies ist ein defektes Dienstfahrzeug der Regierung. Es ist streng verboten, sich an diesem Fahrzeug zu schaffen zu machen. Diebstahl wird streng bestraft.
In der linken unteren Ecke war in kleinerer Schrift zu lesen: Volksdruckerei Nummer 72. Shanghai. Wie viel hunderttausende
solcher Schilder waren von der Druckerei Nummer 72 wohl hergestellt worden? Vielleicht galten sie als Garantiescheine, und mit jedem Fahrzeug wurden zwei geliefert.
Er zog sich wieder in den Schatten zurück und ging weiter, bis er die freie Stelle vor dem im Scheinwerferlicht daliegenden Tor erreicht hatte. Seine Augen folgten dem grünen Zaun. Auf der linken Seite verschwand er in der Finsternis des Waldes. Auf der rechten reichte er vielleicht siebzig Meter über das Wachhäuschen hinaus, vorbei an einem Parkplatz mit nummerierten Stellflächen für die Touristenbusse und Taxis, und bog dahinter scharf nach Süden ab. Wie er das nicht anders erwartet hatte, war ein Vogelreservat in China umzäunt, um Diebe abzuhalten. Wie d’Anjou es formuliert hatte: »Vögel werden in China seit Jahrhunderten verehrt. Sie gelten als Delikatesse, sowohl für das Auge als auch für den Gaumen.« Echo. Echo war verschwunden. Er fragte sich, ob d’Anjou gelitten hatte … Keine Zeit.
Stimmen! Bournes Kopf fuhr zu dem Tor herum. Der chinesische Offizier und ein anderer, viel jüngerer Wachmann – nein, jetzt handelte es sich ganz eindeutig um einen Soldaten – kamen hinter dem Wachhäuschen hervor. Der jüngere Mann schob ein Fahrrad neben sich her, und der Offizier hielt sich ein kleines Funkgerät ans Ohr.
»Kurz nach neun Uhr werden die ersten eintreffen«, sagte er jetzt, ließ das Gerät sinken und schob die Antenne zurück. »Sieben Fahrzeuge in Abständen von drei Minuten.«
»Und der Lastwagen?«
»Wird das letzte Fahrzeug sein.«
Der Wachposten sah auf die Uhr. »Vielleicht sollten Sie dann den Wagen holen. Wenn ein Kontrollanruf kommt, weiß ich Bescheid.«
»Gute Idee«, nickte der Offizier, hängte sich das Funkgerät an den Gürtel und griff nach der Lenkstange des Fahrrads. »Mir gehen diese bürokratischen Weiber, die wie Hunde bellen, auf die Nerven.«
»Trotzdem müssen Sie Geduld mit ihnen haben«, lachte
der junge Wachposten. »Und dann müssen Sie sich die Einsamen, die Hässlichen
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