Das Bourne Imperium
sonst war imstande, den anderen Jason Bourne ausfindig zu machen? D’Anjou war der Schlüssel, und der Kunde dieses – des falschen – Jason Bourne wusste es.
Und Jason Bournes Instinkte – ein Produkt von Medusa, woran er sich schmerzhaft erinnerte – waren richtig. Als die Falle im Mao-Mausoleum so katastrophal versagt hatte, die Entweihung eines Heiligtums, die die ganze Republik erschütterte, hatte sich der Elitezirkel der Verschwörer schnell neu gruppieren müssen, unter strengster Geheimhaltung, da sie sich einer Krise ohnegleichen ausgesetzt sahen; jetzt war keine Zeit zu verlieren, die nächsten Schritte zu überlegen.
Aber Geheimhaltung war unerlässlich. Im wahren China bin ich ein Hauptmann in der Kuomintang. Herrgott! War das möglich ?
Geheimhaltung. Für ein verlorenes Königreich? Gab es irgendeinen Ort, wo man es besser finden konnte als in den unberührten Weiten idyllischer staatlicher Vogelreservate, die von mächtigen Maulwürfen der Kuomintang in Taiwan kontrolliert wurden? Eine Strategie, die aus Verzweiflung geboren war, hatte Bourne die Augen geöffnet.
Keine Zeit! Das ist nicht deine Sache! Nur er!
Achtzehn Minuten später waren die sechs Automobile eingetroffen, die Insassen ausgestiegen und hatten sich irgendwo im finsteren Wald des Vogelreservats ihren Kollegen angeschlossen. Schließlich, seit der Ankunft der russischen Limousine waren einundzwanzig Minuten verstrichen, rumpelte ein mit einer Segeltuchplane abgedeckter
Lastwagen durchs Tor, beschrieb einen weiten Bogen und parkte neben der letzten Limousine, keine zehn Meter von Jason entfernt. Erschreckt sah er zu, wie gefesselte und geknebelte Männer und Frauen von der Ladefläche gestoßen wurden; sie stürzten ohne Ausnahme, rollten über den Boden und stöhnten vor Schmerzen. Dann sah er, wie am Ende der Ladefläche ein Mann sich wehrte, gegen seine Bewacher ankämpfte und nach den zwei Männern trat, die ihn festhielten und schließlich doch auf den kiesbedeckten Parkplatz hinunterwarfen. Das war kein Chinese … Bourne erstarrte. Es war d’Anjou ! In dem schwachen Licht konnte er erkennen, dass Echos Gesicht verschrammt, dass seine Augen angeschwollen waren. Als der Franzose sich mühsam aufrichtete, knickte ihm immer wieder das linke Bein ein, und doch ließ er sich von seinen Häschern nicht unterkriegen; er blieb trotzig stehen.
Du musst dich rühren! Etwas tun! Was? Medusa – wir hatten Signale. Was für Signale waren das? O Gott! Steine, Stöcke, Felsbrocken … Kies! Wirf etwas, um ein Geräusch zu erzeugen, ein schwaches Geräusch, das ablenkt und alles Mögliche sein könnte – weit weg, so weit wie möglich weg! Und dann der nächste Schritt. Schnell!
Jason ließ sich im Schatten des Zaunes auf die Knie nieder. Er hob eine Hand voll Kies auf und warf ihn über die Köpfe der sich mühsam aufrichtenden Gefangenen. Das kurze Klappern auf den Dächern einiger Wagen ging unter den erstickten Schreien der gefesselten Gefangenen verloren. Bourne warf noch einmal, diesmal ein paar Steine mehr. Der Bewacher, der neben d’Anjou stand, sah in die Richtung, in der die Steinchen herunterfielen, tat die kleine Ablenkung aber gleich wieder ab, als seine Aufmerksamkeit sich einer Frau zuwandte, die sich aufgerichtet hatte und jetzt auf das Tor zurannte. Er eilte auf sie zu, packte sie am Haar und riss sie in die Gruppe zurück. Wieder griff Jason nach Kieselsteinen.
Und dann hielt er inne. D’Anjou war zu Boden gefallen, sein Gewicht ruhte auf seinem rechten Knie, und seine gefesselten Hände stützten ihn. Er beobachtete den jetzt abgelenkten
Bewacher und drehte sich langsam in Richtung auf Bourne herum. Medusa war nie weit von Echo entfernt – er hatte sich erinnert. Schnell hob Jason die Hand, sodass seine Handfläche sichtbar wurde, einmal, zweimal. Der schwache Widerschein des Lichts von seiner Handfläche reichte aus; der Blick des Franzosen wanderte zu ihm herüber. Bourne schob den Kopf im Schatten vor. Echo sah ihn! Ihre Augen begegneten sich. D’Anjou nickte und wandte sich dann ab und richtete sich mühsam und schmerzgekrümmt auf, als der Bewacher zurückkehrte.
Jason zählte die Gefangenen. Es waren, Echo mit eingerechnet, zwei Frauen und fünf Männer. Jetzt wurden sie von ihren Bewachern, die beide Schlagstöcke vom Gürtel genommen hatten und sie jetzt dazu benutzten, den Gefangenen Beine zu machen, auf den Weg vor dem Parkplatz getrieben. D’Anjou stürzte. Sein linkes Bein sackte ein,
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