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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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hätte – einen kitschigen Liebesroman brauchte. Was aber nichts daran änderte, dass Elizabeth, wenn es nach dem Hoff ging, eine Person ohne jegliche Bedeutung war. Das machte meine Übersetzungsarbeit zu einer sinnlosen Beschäftigung und führte dazu, dass ich überhaupt keine Lust mehr hatte, mich, wie er das nannte, in der Geschichte zu verlieren.
    Aber ich tat, was man mir aufgetragen hatte. Ich befolgte die Regeln für den Umgang mit den Briefen, berührte sie so selten wie möglich, um kein Hautfett auf die Seiten zu bringen, achtete darauf, sie weder zu knicken noch zu falten noch zu zerknittern, und schloss sie jeden Abend im privaten Safe des Hoff ein, hinter zehn Zentimetern Stahl, die sie vor bösen Bibliothekaren schützten – oder welcher Nemesis auch immer, die in der Vorstellung des Hoff jenseits seiner Wände lauerte. Und ich übersetzte ein mi frater und magnifico Parente nach dem anderen.
    Ich fürchte, in letzter Zeit habe ich in meinem Briefen zu oft von Kummer und Schmerz berichtet. Doch die vergangenen Monate sind hart gewesen, liebster Bruder. Härter, als ich es Dich wissen lassen wollte. Du wirst es sicher merkwürdig finden, dass ich ein solch abweisendes Heim vermisse, den Turm unseres Vaters, dunkel und feucht, und die Nebengebäude, deren Wände so dünn waren, dass ich fürchtete, mein Blut würde sich in Eis verwandeln. Doch selbst ein Gefängnis kann ein Heim sein, wenn es dort etwas zu essen gibt, wenn es dort Wände gibt, die einen vor der Nacht schützen, wenn es dort einen Vater gibt wie den unseren, der über uns wacht. Jetzt, da er von uns gegangen ist, gibt es auch diese elende Behausung nicht mehr. Es mag Tollheit sein, doch ich vermisse sie beide.
    Dafür hätte ich nicht einmal eine Stunde brauchen sollen, einschließlich der zwanzig Minuten, um den lateinischen Text abzuschreiben und unbekannte Wörter und verwirrende Verbformen anzustreichen, das langweilige, aber beruhigende Aufwärmen für die Übersetzung selbst, ungefähr so, als würde man auf dem Klavier ein paar Übungsläufe spielen, bevor man sich an Mozart wagt. Doch das Abschreiben dauerte eine Stunde und das Übersetzen des einen Absatzes noch einmal zwei. Ich gab Chris und seinem Aufmerksamkeitsdefizit-Desaster die Schuld daran, aber schließlich hatte mich ja niemand gezwungen, ihm beim Schummeln bei Solitaire zu helfen, einen Streich für meine Abschlussklasse auszudenken oder zu überlegen, welchen Text die Titelmelodien sämtlicher Freitagabend-Fernsehserien unserer Jugend hatten.
    Â»Das Daumen-Catchen war deine Idee«, erinnerte er mich, als ich ihm schlechten Einfluss vorwarf. »Und was jetzt? Hier sitze ich und bin fleißig und du lenkst mich ab mit diesen lächerlichen Beschwerden über…«
    Â»Du? Fleißig?« Ich warf einen Blick über seine hochgezogenen Schultern. »Du bastelst doch gerade Papierflugzeuge.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Eine schmutzige Arbeit, ich weiß, aber einer muss sie ja machen.«
    Das Büro des Hoff sah völlig anders aus als das in Beigetönen gehaltene Großraumbüro im Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultät gegenüber, in dem mein Vater früher gearbeitet hatte. Da der Hoff Professor auf Lebenszeit war, konnte ihm die Fakultät nicht kündigen, weshalb er in den Ruhestand geschickt und solcher Annehmlichkeiten wie Kopierer, WLAN-Anbindung und Türen beraubt worden war. Als Strafe für seine zunehmende Senilität hatte man ihn in eine Seitenkapelle der maroden Trinity Cathedral gesteckt, die seit dem Bau der modernen, luftigen Kirche auf der anderen Seite des Innenhofs nicht mehr in Gebrauch war. Hauptschiff und Chorraum der alten Kirche wurden gelegentlich für Aufnahmefeiern der Phi-Beta-Kappa-Studentenverbindung oder für Teepartys der Fakultät benutzt, doch die Nebenkapellen hatte man unterteilt, um Büros für Lehrkräfte zu schaffen, die anderswo keinen Platz gefunden hatten. Bisher war der Hoff offenbar der Einzige, der zu dieser Kategorie gehörte.
    Unser Arbeitsplatz war ein großer Tisch aus Mahagoni, ganz in der Nähe des Schreibtisches, an dem der Hoff allerdings nur selten vorzufinden war. Auf dem Schreibtisch des Professors stapelten sich schwankende Türme aus Zeitschriften, wissenschaftlichen Arbeiten und Mitteilungen der Fakultät, die prinzipiell nicht gelesen wurden.

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