Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
so?«
»Klar«, sagte er völlig ernst, und ich dachte tatsächlich für einen Moment: Au weia, ein Besserwisser! Doch dann grinste er von einem Ohr zum anderen, und ich kapierte, dass er mich reingelegt hatte.
»Nein, natürlich nicht. Ich mag halt nur Wasser. Das andere klebrige Zeugs macht nur noch mehr Durst. Aber keine Angst, ich bin nicht perfekt und habe auch meine Macken!«
»Nein!«, rief ich mit gespieltem Ernst.
»Doch! Ich esse Chips. Ich liebe Chips! Ich bin abhängig von Chips! Ich kann keinen Tag ohne sie sein. Das ist doch eine ziemliche Macke, findest du nicht?«
Ich nickte. Ja, in Chips konnte ich mich auch reinlegen.
»Welche magst du am liebsten?«, fragte ich.
»Nur die ganz dünnen ohne irgendwelches Zeugs. Kein Paprika, kein Käse, keine Sour Cream. Nur gesalzen müssen sie sein.«
Mann, genau die liebe ich auch! Ich bekam Hunger. Mutter kam mit den Gläsern aus der Küche zurück. Zweimal Mineralwasser!
»Möchte dein Hund auch ein bisschen Wasser?«
»Vielen Dank, Frau Seefeld, aber Jever trinkt jeden Abend eine halbe Flasche Bier. Das reicht ihm. Deswegen heißt er übrigens auch Jever.«
Meine Mutter guckte völlig entgeistert.
»Was? Bier? Aber ein Hund kann doch nicht … « Doch dann bemerkte sie Tommys schelmischen Blick und musste mitlachen.
»Das stimmt gar nicht!«
»Na ja«, meinte Tommy. »Gleich am ersten Tag, als wir ihn bekamen, hat er in der Küche Unsinn gemacht und eine Flasche Bier umgestoßen. Davon hat er dann geschleckt und sich leider auch ein wenig betrunken. Seitdem heißt er Jever. Und wehe, er sieht eine Flasche Bier! Sie müssen gut aufpassen, Frau Seefeld!«
»Du nimmst mich auf den Arm!«, lachte Mutter, aber ich spürte, dass sie sich da ganz und gar nicht so sicher war. Sie reichte Tommy und mir die beiden Gläser mit dem Mineralwasser und schaute kopfschüttelnd zu Jever und dann zu Lazy und wieder zu Jever.
»Ihr beiden scheint euch ja schon prima zu verstehen, und was ist mit euren Hunden?«
Seit ich Jever abgesetzt hatte, saß der Kleine zu meiner Verblüffung seelenruhig auf den Dielen und sah sein Herrchen mit schiefem Kopf von unten her an. Lazy grummelte immer noch leise vor meiner Tür vor sich hin, machte aber keine Anstalten, seinen neuen Hundenachbarn zu begrüßen.
Tommy sagte nur: »Na, geh schon!«, und sofort sprang Jever auf, raste auf Lazy zu und hüpfte in seiner mir schon bekannten Manier um meinen Hund herum. Dabei stupste und leckte Jever den armen Lazy, der gar nicht wusste, wie ihm geschah und was er tun sollte: Kläffen, Knurren oder mit Rumtollen? Er saß nur da, ließ alles mit sich geschehen, und es schien, als sei ihm das Gehabe ein wenig peinlich. Endlich bequemte sich mein fauler Hund dann doch, seinen schweren Körper hochzuhieven, und ehe ich mich’s versah, waren die beiden in eine richtige tolle Rauferei verwickelt.
»Tja«, sagte ich zu Tommy, »ich denke, mein Hund wird in nächster Zeit etwas abnehmen müssen!«
Tommy nickte ernst.
»Da kann er ja gleich mit anfangen. Jever hilft nämlich unheimlich gern, irgendetwas zu tragen. Er wird deinem Hund … äh, wie heißt er eigentlich … ?«
»Lazy«, erwiderte ich peinlich berührt.
»… also er wird Lazy beibringen, beim Umzug zu helfen«,meinte Tommy. Während er meiner Mutter sein leeres Glas zurückreichte, besah er sich unsere dekorativen Bilder neben der Garderobe und nickte dann anerkennend.
»Hm, das Haarlemer Meer von van Goyen und die Rhonebarken von van Gogh. Das sind zwar nur Kunstdrucke, aber Sie haben einen exzellenten Geschmack, Frau Seefeld.«
Meiner Mutter klappte die Kinnlade runter.
»Woher weißt du das denn?«, fragte sie verblüfft. »Ich hatte keine Ahnung, von wem die Bilder sind.«
Tommy wurde rot. »Ich … ich wollte nicht … ich weiß ein bisschen über Bilder Bescheid, weil Manfred malt.«
»Das braucht dir nicht peinlich zu sein«, beruhigte meine Mutter meinen neuen Freund. »Ich finde es gut, wenn ein Junge in deinem Alter so etwas weiß.«
Tommy war sichtlich verlegen. Dann sagte er zu mir: »Was ist, Joe, können wir loslegen?«
Ich nickte begeistert und wusste gar nicht, warum. Noch gestern hätte ich die Idee, bei einem Umzug helfen zu müssen, als völlig abwegig bezeichnet. Aber jetzt … Tommy schnalzte kurz mit der Zunge, und Jever ließ sofort von Lazy ab und stürmte aus der Tür. Mein Hund guckte genauso verblüfft wie ich und meine Mutter, aber, oh Wunder, dieses eine Mal war er schneller als ich,
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