Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
sich recht schnell und schien auf etwas zu warten.
»Na also«, meinte Tommy, wie immer einmalig ruhig. »Jetzt brauchst du nur noch was zu sagen, und wir können raus.«
»Meinst du?«, fragte ich ungläubig. Tommy nickte nur lächelnd.
»Na dann … « Ich holte Luft und überlegte, was ich sagen wollte. Dann dachte ich, ist ja sowieso egal, schaute zur Holografie und rief: »Ich will nach Hause!«
Gespannt sahen wir, wie sich die Drehung der Kugel verstärkte, wieder rasend schnell wurde und die Holografie durchsichtig schien. Dann senkte sie sich von der Decke herunter und schwebte genau auf die uns gegenüberliegendeWand zu. Für eine Sekunde verharrte sie vor ihr, als wollte sie uns ein Zeichen geben. Dann nahm sie Fahrt auf und durchdrang die Wand an einer Stelle, an der das Bild eines Falken zu sehen war. Wir schauten uns an. Niemand von uns hatte jetzt noch Angst. Tommy verbeugte sich leicht vor mir und machte eine einladende Geste.
»Nach Ihnen, Herr Seefeld.«
Diesmal vergaß ich Lazy nicht. Ich nahm ihn auf und wartete, bis auch Tommy Jever auf dem Arm hatte. Dann schaute ich mich noch einmal in diesem geheimnisvollen Raum um. Ich prägte mir dieses Bild aus einer anderen Welt so sehr in meinem Kopf ein, dass ich wusste, es würde nie mehr aus meinem Gedächtnis verschwinden.
Ich sah meine Freunde an, und wir verständigten uns mit Blicken. Ich spürte in diesem Moment, was für ein perfektes Team wir geworden waren. Dann drehte ich mich um und ging durch die Wand.
Als ich im Garten herauskam, wusste ich sofort, dass er wieder so war wie vorher. Brombeersträucher wucherten um mich herum, und der vertraute Geruch des heimischen Sommers umfing mich. Ich setzte Lazy ab und wartete, bis meine Freunde neben mich traten.
Als wir alle in unsere Welt zurückgekehrt waren, sahen wir uns wortlos in die Augen. Wir fühlten unsere Freundschaft wie ein festes Band, das uns zusammenhielt. Ich hatte einen Kloß im Hals und war einfach nur glücklich, Freunde zu haben.
Das Haus würde uns irgendwann wieder zu sich rufen. Das wusste ich.
Doch bis dahin hatten wir die Gabe der Freundschaft.
Der Sommer lag endlos vor uns.
Über den Autor
Micha Rau, geb. 1957 in Berlin, schrieb seine ersten Geschichten im Alter von 13 und seither Romane, Kurzgeschichten, Reiseabenteuer und Essays. 2005 gewann er den interationalen Wettbewerb der Agentur Writemovies in Hollywood/USA in der Kategorie »Bester Roman«.
www.micha-rau.org
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