Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Maler in sein Appartement sandte? Jean Philippe war nicht einmal bekannt, dass Ihre Majestät den Mann jemals erwähnt oder Notiz von ihm genommen hätte.
Und würde der Fürst, nachdem er in der Nacht Besuch einer jungen Dame hatte, nicht als Erstes einen Pater zum Beichten in seine Gemächer beordern?
Niemals würde er diesen Adligen verstehen. Carl Theodor war ein Langweiler, ein schweigsamer Narr! Es war Zeit, dass die Bruderschaft den Fürsten beseitigte. Jean Philippe fragte sich seit Monaten, worauf man noch wartete. Und warum beauftragte man ihn nicht, den Herrscher zu beseitigen? Er wäre ein zuverlässiger Attentäter. Er war in der Nähe des Fürsten. Wenn er es gut planen würde, könnte er Carl Theodor sogar vergiften.
Sie waren im Appartement des Kurfürsten angelangt. Er führte den Maler ins Audienzzimmer, in dem der Herrscher wartete. Carl Theodor erhob sich aus einem Sessel und deutete dem Kammerdiener an, dass dieser sich entfernen solle.
Jean Philippe tat, wie ihm geheißen. Er verbeugte sich, verließ den Raum und schloss die Türen. Dann beugte er sich vor und legte sein Ohr an das Schlüsselloch. Er konnte jedes Wort deutlich verstehen. Es klang, als würde der Fürst den Maler in der Tat gut kennen. Aber woher?
Als Nächstes wollte der Fürst Mannlich etwas zeigen. Jean Philippe drehte seinen Kopf und blickte durch das Schlüsselloch. Er sah, wie die beiden Männer Gemälde betrachteten.
»Diese Bilder sind nicht schlecht, mein lieber Mannlich«, hörte er den Kurfürsten sagen. »Aber sie sind alle ohne Wärme!«
»Das sehe ich«, erwiderte der Maler.
»Tretet einen Schritt näher, Mannlich. Ihr Mund und ihr bezauberndes Lächeln sind nicht getroffen worden.«
»In der Tat, mein Herr. Ich erinnere mich noch gut an die Dame. Wenn Ihr wollt, kann ich auf der Grundlage dieser Gemälde und meiner Erinnerung ein besseres Bildnis abliefern.«
»Deswegen habe ich Euch rufen lassen. Ich habe mich über Euch erkundigt, mein Lieber. Man sagte mir, Ihr seid der begabteste Maler, der die Akademie in Mannheim durchlaufen hat. Die Lehrer haben Euch nichts beizubringen vermocht, was Ihr nicht schon vorher wusstet.«
»Mit Verlaub, mein Fürst. Verschaffelt ist ein guter Maler, aber ob seine größte Fähigkeit das Unterrichten ist – ich meine, ähm, er ist wirklich ein großer Maler.«
»Schon gut. Ihr braucht ihn nicht in Schutz nehmen. Ich weiß, dass er eine ungeschliffene und stolze Person ist. Aber er kann zeichnen. Wenn es um das Porträtieren eines sanftmütigen Wesens geht, versagt er allerdings, wie Ihr seht.«
»Ich werde mich sofort daran machen, den Fehler zu berichtigen.«
»Gut. Begebt Euch in Euer Zimmer und erzählt niemandem, woran Ihr arbeitet. Schließt Euch ein bei der Arbeit, ich selbst werde mir einen Nachschlüssel für Euer Atelier anfertigen lassen, damit ich mich über den Fortschritt der Arbeit informieren kann. Es herrscht absolute Geheimhaltung.«
Geheimhaltung? Jeder im Schloss und in der gesamten Stadt wusste von Carl Theodors unglücklicher Liebschaft.
»Und – Mannlich ...«
»Mein Herr?«
»Wäre es möglich, dass Er sich bei der optischen Aufteilung des Bildes an diesem orientiert, an dem Françoise neben einem Tisch sitzt?«
»Selbstverständlich.«
»Eventuell werde ich Ihm noch mitteilen, den einen oder anderen Gegenstand, der für mich von Bedeutung ist, im Bildnis auf dem Tisch zu positionieren.«
Vermutlich war der Fürst nun vollends verrückt geworden, dachte der Kammerdiener und richtete sich auf. Es war Zeit, dass er starb.
Was Jean Philippe nicht wusste: Der Fürst hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen. Er benötigte das Gemälde nicht nur, um seine letzten Tagen trostvoller zu bestreiten, sondern ebenso, um eine Botschaft an die Nachwelt zu übermitteln.
Viertes Kapitel
27. März 1765
Schloss Mannheim
Mannlich saß in seinem Atelier und malte. Damit er genug Licht hatte, hatte man ihm ein Zimmer mit großen Fenstern im Erdgeschoss zugewiesen. Es befand sich direkt neben dem Tanzsaal, in dem das Ballett der pfälzischen Jungfrauen unter Leitung des Ballettmeisters Bouqueton unterrichtet wurde. Mannlich wusste bestens über den Sinn und Zweck dieser Tänzerinnen bescheid.
Es war so, dass Kurfürstin Elisabeth Auguste sehr wohl die Begeisterung der Kavaliere bei Hofe für französische Tanztruppen durchschaut hatte. Wie sie nicht nur am Beispiel ihres eigenen Ehegatten erfahren hatte, waren die französischen Tänzerinnen
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