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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Wächter
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mit den anderen Krähen Kontakt aufzunehmen. Er war sich sicher, dass einige von ihnen Mitglieder des Hofstaats gewesen waren und somit ebenso wie er nach München gegangen sein mussten. In der neuen Hofbibliothek hatte er verschlüsselte Nachrichten in beliebten Büchern versteckt, so wie die Bruderschaft von jeher kommuniziert hatte. Drei Jahre hatte sich niemand auf seine Botschaften gemeldet. Dann, im Frühjahr dieses Jahres, war es der Großmeister selbst, der ihm die Daten für ein Treffen übermittelte.
    Der Großmeister! Jean Philippe war glückbeseelt von dieser Entwicklung. Ernüchternd war allerdings die Zusammenkunft, die in einer sternenklaren Nacht auf einem Feld vor den Toren Münchens zustande kam. Der Großmeister wartete mit seiner Krähenmaske hinter einer alten Eiche auf ihn. Jean Philippe erzählte ihm sofort von seinen neusten Überlegungen. »Wir müssen ihn endlich beseitigen!«
    »Du willst unbedingt dieses Attentat durchführen?«
    »Ja, natürlich!«
    »Worauf wartest du dann? Mach es einfach! Ohne einen mutigen Mann wie dich wird es nicht funktionieren.«
    »Ich brauche Hilfe!«
    »Ich kann dir nicht helfen. Ich bin zu alt. Aber sag, was ist dein Plan?«
    Er erzählte dem Großmeister von seiner Idee, den Kurfürsten auf der anstehenden Prunkjagd in die Luft zu sprengen.
    »Dann soll es so sein. Nenne mir deine Identität, damit ich dich kontaktieren kann, wenn die Ermordung geglückt ist. Zeig mir dein Gesicht.«
    Er setzte seine Maske nicht ab. Seinen Namen nannte er dennoch. Der Großmeister schien zufrieden mit ihm und schickte ihn fort.
    Jetzt stand er hier. Türkische Musik erschallte aus der Wirtshauskulisse. Die ersten Hirsche stürmten den Abhang herunter, stolperten über Hindernisse und irrten verstört umher. Böller flogen durch die Luft. Die Menge auf den umliegenden Hügeln und am gegenüberliegenden Ufer applaudierte und grölte lauter als zuvor. Soldaten salutierten mit Gewehrschüssen.
    Jean Philippe löste sich aus der Schar der Höflinge, die abwechselnd freudig juchzten und erschrocken aufstöhnten, wenn ein Tier in den Fluss stürzte oder von einer Kugel des Kurfürsten getroffen wurde.
    Wenn dies geschah, eilte eine vierrudrige Barke mit einem Jagdhelfer herbei, der den Hirsch beim Geweih packte und ans Ufer zog, damit er nicht sank.
    Der Kammerdiener hatte die Stelle erreicht. Von hier waren es vielleicht zehn Meter bis zu dem Zelt. Er war gewiss, diese Entfernung mit einem gezielten Wurf überwinden zu können. Vorsichtig zog er die Bombe unter dem Saum seines Rockes hervor. Er beugte sich vor, während er an der Zündschnur hantierte. Niemand durfte sehen, was er machte.
    Er war in seine Arbeit vertieft und erschrak fürchterlich, als er von hinten angerempelt wurde. Langsam sah er auf.
    Neben ihm hatte sich zu jeder Seite ein Garnisonssoldat aufgebaut. Er drehte sich um und ließ den Sprengkörper hinter seinem Rücken verschwinden.
    Direkt vor ihm stand ein weiterer Soldat. Er hielt seine Flinte vor sich und hatte das Bajonett auf Jean Philippe gerichtet.
    »Na, was habe mir do?«
    Jean Philippe stammelte, es waren keine zusammenhängenden Worte.
    »Ich glaub, der Bube will schwimme gehe«, sagte der Soldat zu seiner Linken.
    »Schwimme gehe? Do könne mir behilflich sein.«
    »Was?«
    »Komm, Bube«, sagte der Soldat zu seiner Rechten und packte ihn am Arm. »Gehscht ein bisschen baden.«
    »Ihr könnt doch nicht. Ich bin Kammerdiener des Kurfürsten!«
    »Lumpenhunde behandeln mir alle gleich«, sagte der Soldat in der Mitte und stach mit dem Bajonett mehrmals in die Luft, knapp vor Jean Philippes Brust.
    Er musste nachdenken. Konnte er die Bombe noch zünden? Es könnte klappen. Der Soldat auf der Linken zerrte ihn ebenfalls am Arm. Die Männer schleiften ihn zum Uferrand.
    Tatsächlich – er schaffte es mit einer Hand, den Sprengkörper zu entfachen.
    »Zurück! Ich habe eine Bombe!«
    »Ja un? Deswege lernst du jetzt ja schwimme!«
    Einer der Soldaten spuckte ihn an.
    »Wartet!«, rief Jean Philippe. Dann fiel er ins Wasser. Der Sprengkörper rutschte aus seiner Hand und schwamm im Fluss. Die brennende Zündschnur erlosch.
    »Ich wurde verraten!«
    Das war es. Er wurde ans Messer geliefernt. Aber von wem? Das konnte nur bedeuten, dass der Großmeister der zwei Krähen … – nein, das konnte nicht sein!
    Ein Schuss ertönte aus der Flinte des linken Soldaten, der Klang des Geschosseintritts in den Körper des Kammerdieners wurde vom rauschenden Wasser

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